Donnerstag, 24. Mai 2007

Exotische Lebensform in alter Mine entdeckt

Ferroplasma

Wiesbaden (internet-zeitung) - Schleimig und ätzend. So kennen wir das Monster aus dem All von der Leinwand. Amerikanischen Wissenschaftlern ist es jetzt gelungen, eine solche exotische Lebensform sogar auf der Erde nachzuweisen.

In Kalifornien gibt es in der Nähe der Stadt Redding eine ehemalige Eisenmine, „Iron Mountain“ genannt, die heute nur noch von touristischem Interesse ist. Zu den wenigen professionellen Besuchern, die sich für die alte Mine interessieren, gehört die Biologin Dr. Katrina J. Edwards vom Woods Hole Oceanographic Institute (WHOI) in Woods Hole/Massachusetts. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Wisconsin untersuchte sie vor einigen Jahren die stark sauren und ätzenden Grubengewässer von „Iron Mountain“ nach Nucleinsäuren. Dabei stieß sie auf Ferroplasma acidarmanus und stellte zur Überraschung fest, dass der Organismus unter den extrem sauren Bedingungen nicht nur überlebt, sondern obendrein wächst und gedeiht. Aber nicht nur das: Ferroplasma acidarmanus macht sogar den überwältigenden Hauptanteil aller Lebensformen aus, die tief im Innern der unwirtlichen Iron Mountain Mine gefunden wurden, erklärt Katrina J. Edwards.

Die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen haben in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig Proben vom Minenwasser genommen. Aus ihnen konnten sie die vorherrschende Spezies isolieren und heranziehen, um ihre Lebensweise zu untersuchen. Sie beobachteten, dass die optimalen Bedingungen bei einem pH von 1,2 gegeben waren, die Mikroben aber auch bei pH-Werten von 0 bis 2,5 überlebten. Die meisten aus der Mine isolierten Arten gedeihen prächtig bei pH 2,5 und vertragen Bedingungen von pH 1 bis 4. Auch schon andere Wissenschaftler entdeckten Mikroorganismen, die in hochsauerer Umgebung lebten wie etwa in Anlagen zur Erzlaugung. Aber Edwards und ihre Mitarbeiter fanden die Extremophilen als erste an naturnahen Standorten.

Ein wenig erinnert Ferroplasma acidarmanus an den Science-Fiction-Thriller „Alien“. So handelt es sich bei dem Organismus – ganz ähnlich wie bei dem „Schrecken aus dem All“ – nicht nur um eine ausgesprochen acidophile sondern zugleich glibbrige Angelegenheit. So bildet Ferroplasma acidarmanus an Pyrit- und Eisenschichten schleimige Sedimentablagerungen. Es bezieht seine Stoffwechselenergie aus der wässrigen, oxidativen Auflösung von Metallsulfiden bei Anwesenheit von dreiwertigem Eisen zu zweiwertigem Eisen unter Bildung von Schwefelsäure. Daraus entsteht das angeblich säurehaltigste Grundwasser, das jemals gemessen wurde.

Die Widerstandsfähigkeit des Bakteriums ist umso ungewöhnlicher, wenn man seinen Aufbau betrachtet. Statt von einer Zellwand geschützt zu werden, wie die meisten Mikroorganismen, ist Ferroplasma acidarmanus nur von einer Zellmembran umgeben – was ein schwacher Schutz gegen die Schwefelsäure und die großen Mengen an Kupfer, Arsen, Cadmium und Zink zu sein scheint, die sich im Minenwasser befinden. Diese Tatsache gibt weitere Rätsel auf, weil bereits der bloße Kontakt mit einem Medium, das einen pH-Wert um Null aufweist, normalerweise zum sofortigen Zelltod führt.

Als mögliche Erklärung gilt die Koloniebildung als Biofilm mit deren gallertartiger Hüllstruktur. Die Aufklärung dieser besonderen Strukturen mit einer hohen Säure-Beständigkeit steht aber noch aus. Tatsache ist aber, dass ihn seine Zellmembran in einer Umgebung, die andere Organismen kaum überleben würden, effektiv schützt. Ähnlich verblüffend ist auch, dass der hohe Säuregrad anscheinend sogar nötig ist, um die Zellmembran intakt zu halten.

Erwachte der Organismus aus einem Millionenjährigen Dornröschenschlaf?

Die Entdeckung der ungewöhnlichen Archaenart lässt vermuten, dass noch bizarrere Mikroorganismen existieren könnten, eventuell auch Species, die sogar negative pH-Werte überleben. „Wenn man weitersucht, wird man auch welche finden“, spekuliert der Geochemiker Tullis Onstott von der Princeton University.

Die Entdeckung von Ferroplasma acidarmanus wirft auch die interessante Frage auf, wie es bis heute überhaupt existieren konnte. Schließlich beginnt die Oxidation von Eisen in der Geochemie der Erde schon sehr früh, vor mehr als 560 Millionen Jahren. Die Eisenablagerungen in Iron Mountain, wie auch in anderen Erzlagerstätten, sind vielen Verschiebungen in der Erdkruste ausgesetzt gewesen und häufig in tiefere Schichten mit hohen Temperaturen und Drücken verschoben worden. Eine mögliche Erklärung ist die Ausbildung von Dauersporen, die „schlafend“ über unvorstellbar lange Zeiträume lebensfähig blieben. Was sie im Iron Mountain wieder zum Leben erweckte, ist ebenfalls unbekannt.

Froesche

Quelle: Rolf Froböse, „Wenn Frösche vom Himmel fallen – die verrücktesten Naturphänomene“. (Wiley-VCH, 2007). Ab 18. Mai 2007 im Handel.
http://www.amazon.de/Fr%C3%B6sche-Himmel-fallen-verr%C3%BCcktesten-Naturph%C3%A4nomene/dp/3527316590/ref=pd_ecc_rvi_1/303-6277874-5256224?ie=UTF8&qid=1174049015&sr=1-5