Mittwoch, 3. November 2010

Zoologie: Wale beim Krillfang beobachtet

Blauwale und Finnwale blähen sich beim Fressen auf wie ein Ballon – mit großem Kraftaufwand.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, November 2010

Viele große Wale bedienen sich am Krill, dem Kleinstgetier der Meere, in Riesenschlucken. Sie sehen dann fast aus wie eine gewaltige aufgeblähte Kaulquappe, denn sie dehnen Kehle und Bauch hierzu weit aus. Ihre erstaunlichen anatomischen Möglichkeiten und den biophysikalischen Hintergrund beschreibt der Walexperte Jeremy A. Goldbogen von der Universität von Kalifornien in San Diego in der November-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft".

Die Forscher wissen von den erstaunlichen Fressattacken des Blauwals noch nicht lange. Es war immer rätselhaft, wozu viele Bartenwale eine wie eine Ziehharmonika gefaltete Unterseite besitzen, die ihnen die Bezeichnung Furchenwale einbrachte. Mit ihren Barten, dicht bei dicht am Oberkiefer hängenden zerfransten Hornplatten, fischen sie Unmengen kleiner Lebewesen – soviel war klar. Aber erst spezielle Unterwassermessgeräte enthüllten schließlich, wie etwa Finn-, Buckel- und Blauwale bei ihren Tauchgängen wirklich vorgehen.

Ein Furchenwal taucht für seine Fressattacken bis zu 300 Meter tief. Stößt er auf einen Krillschwarm, beschleunigt er kräftig und klappt seinen Unterkiefer weit auf. Da er rasch schwimmt, füllt sich sein äußerst dehnbarer, bis zum Bauchnabel reichender Kehlsack sofort. Ein Blauwal kann so ungefähr eine Omnibusladung Wasser aufnehmen. Nur Sekunden später schließt das Tier sein Maul – jetzt ist sein Vorderkörper fast kugelrund. Schnell findet der Meeressäuger wieder zu seiner schlanken Form zurück – um gleich die nächste Attacke zu starten.

Fressen ist für einen Furchenwal nicht etwa mühelos, sondern erfordert im Gegenteil sehr viel Energie und Kraft. Bei jedem Riesenschluck kämpft der Wal gegen einen großen Wasserwiderstand an, und er wird dabei jedes Mal fast bis zum Stillstand abgebremst. Von vorn gesehen beträgt die maximale Öffnung des Mauls fast 70 Prozent der Fläche des Tiers, und das aufgenommene Wasservolumen ist deutlich höher als sein eigenes Körpervolumen. Die Forscher erkannten auch, dass sich das Maul nicht passiv füllen darf, sondern dem Widerstand entgegenarbeiten muss. Sonst würde die Kehle platzen oder die Wassermassen würden sofort wieder hinausgeschleudert.

Nach den Berechnungen könnte es aus energetischen Gründen noch größere Wale nicht geben. Der Aufwand für diese Methode der Futterbeschaffung scheint beim Blauwal an physiologische und physikalische Grenzen zu stoßen. Wohl auch deswegen dauern die Tauchgänge nur um die 15 Minuten, unerwartet kurz für ein Tier dieser Ausmaße. Aber der Sauerstoffvorrat reicht offenbar nicht länger.