Samstag, 4. Dezember 2010

Tierschutzethik: Welche Rechte haben Tiere?

Der Tierethiker Jörg Luy gibt darauf Antworten. Doch ist die Gesetzeslage noch lange nicht zufriedenstellend

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Dezember 2010

In einem deutschen Zoo wurden unlängst drei gesunde, aber nicht reinrassige Tigerwelpen auf Anordnung der Zooleitung getötet, weil man die Ressourcen des Zoos zur Aufzucht von rassereinen Tigern verwenden wollte. Die Verantwortlichen wurden angezeigt und wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz schuldig gesprochen. Die Frage, welche Rechte Tiere haben, lässt sich anscheinend durch einen Blick ins Tierschutzgesetz beantworten.

Die Angelegenheit ist jedoch komplexer; denn Tiere besitzen bislang keine Rechtsfähigkeit und können aus diesem Grund keine klagebefugten Rechtsgutträger sein. Die Frage nach den Rechten von Tieren ist also mehrdeutig. In der Dezemberausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" weist der Berliner Tierethiker Jörg Luy, Professor an der Freien Universität, Berlin, auf die wesentlichen Punkte hin. Obwohl es vordergründig so scheint, als ob das Tierschutzgesetz dazu dient, die Rechte von Tieren zu schützen, ist das geschützte Rechtsgut vielmehr die sittliche Ordnung in den Beziehungen zwischen Mensch und Tier. Die erste Antwort auf die Frag, welche Rechte Tiere haben, lautet daher: Die gegenwärtige deutsche Rechtsordnung gewährt Tieren gar keine Rechte.

In Deutschland gibt es bereits seit über 70 Jahren ein Tierschutzgesetz, dessen konzeptioneller Hintergrund, der so genannte ethische Tierschutz, im Jahr 2002 sogar zum Staatsziel erklärt und als Artikel 20a ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Deshalb müssen seitdem die dort verbürgten Grundrechte, wie insbesondere die Forschungs- und die Religionsfreiheit, mit den Belangen des Tierschutzes abgewogen werden. Nachdem Österreich 1988 im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt hat, dass Tiere keine Sachen (mehr) sind, wurde dieser Schritt 1990 auch in Deutschland sowie 2003 in der Schweiz ebenfalls vollzogen.

Allerdings ist diesbezüglich heute bei einzelnen Paragraphen des Tierschutzgesetzes – etwa zur Massentierhaltung – ein erheblicher Anpassungsbedarf zu verzeichnen. Denn die Inkaufnahme von Schmerzen, Leiden und routinemäßigen Amputationen alleine zum Zwecke des Preisdumpings auf einem übersättigten Lebensmittelmarkt wird wohl mehrheitlich als "unverhältnismäßig" beurteilt werden.

Ein ethisch-rechtlicher Minimalkonsens besteht darüber, dass es verboten ist, empfindungsfähigen Tieren – außerhalb von moralischen Dilemmata – Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Nicht selten beschränken sich die geforderten Tierrechte auf tierartspezifische Analogien zu den Menschenrechten in Bezug auf Folter und Freiheit. Rechte im Sinne der Tierrechtsbewegung werden erst seit kurzem und noch sehr restriktiv von der Gesetzgebung geschützt. Beispielsweise verbieten Großbritannien (seit 1997), Neuseeland (seit 1999), die Niederlande und Schweden (beide seit 2003) sowie Österreich (seit 2006) die invasive Forschung an Menschenaffen per Gesetz.

Es wird solange Streit um Rechte für Tiere geben, wie diese nicht dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen entsprechen, die sich darüber austauschen.