Montag, 8. August 2011

Emotionsforschung - Die Gelassenheit der späten Jahre

Beinahe unbemerkt verändert sich im Lauf des Lebens unser Umgang mit Gefühlen: Negative Empfindungen wie Wut oder Angst treten laut Psychologen im späteren Erwachsenenalter seltener auf – und das allgemeine Wohlbefinden steigt.

Aus: Gehirn&Geist, September 2011

Ein Forscherteam um den Psychologen Arthur Stone von der Stony Brook University (US-Bundesstaat New York) nahm 2010 das Gefühlsleben der Amerikaner genauer unter die Lupe. In einer groß angelegten Telefonbefragung hatte das Beratungsunternehmen Gallup mehr als 340 000 US-Bürger zwischen 18 und 85 Jahren darüber Auskunft geben lassen, ob und für wie lange sie jeweils am Vortag traurig gewesen waren, sich gestresst gefühlt oder Grund zum Lachen gehabt hatten. Wie die Auswertung ergab, nahmen vor allem Sorgen und Wut mit wachsendem Lebensalter ab, berichtet das Magazin Gehirn&Geist (9/2011) in seiner neuen Ausgabe.

Alltagsnöte plagten demnach in besonders hohem Maß Menschen im mittleren Erwachsenenalter bis etwa Anfang 50, von da an gingen sie mehr und mehr zurück. Auch die von Fröhlichkeit und Glück geprägten Tage nahmen zwar im Lauf der Jahre zunächst ab; der Tiefpunkt war jedoch um das 50. Lebensjahr herum erreicht, von da an zeigte die Stimmungskurve wieder nach oben.

Zu ähnlichen Resultaten war schon 2001 ein Team um die Psychologin Susan Charles von der University of California in Irvine gelangt – nach Auswertung von Daten einer mehrere Jahrzehnte dauernden Langzeiterhebung. Probanden aus vier verschiedenen Generationen hatten teils seit 1971 an einer Reihe von Befragungen teilgenommen; die jüngsten waren zu Beginn der Untersuchung 15 Jahre alt gewesen, die ältesten 90. Abermals zeigte sich, dass Unruhe, Angst und Wutzustände mit der Zeit insgesamt eher abnahmen. Am häufigsten plagten sich Teenager mit Trübsal oder Wutattacken, bei den 80-Jährigen waren diese Emotionen dagegen kaum zu verzeichnen.

Hirnforscher konnten in Labortests den späten Sinn für die guten Momente im Lebens bestätigen. Die Psychologin Mara Mather von der University of California in Santa Cruz untersuchte mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die Gehirne von 18- bis 29-Jährigen sowie die von Menschen zwischen 70 und 90 Jahren. Im Scanner liegend sahen die Probanden eine Reihe von Bildern und sollten jeweils per Knopfdruck auf einer Skala von eins bis vier angeben, wie sehr sie sich davon angesprochen oder abgestoßen fühlten. Dabei wühlten negative Bilder jüngere Teilnehmer stärker auf, als dies bei Probanden im fortgeschrittenen Alter der Fall war. Auch fiel die Aktivität der Amygdala – der wichtigsten Schaltstation der Gefühle im Gehirn – bei den älteren stärker angesichts positiver Bilder aus als bei negativen.

Die Gelassenheit des Alters lasse sich dennoch nicht allein auf biologische Faktoren zurückführen, so Mather. Gut möglich, dass der Blick ins Gehirn nur eine andere Art der Beschreibung erhöhter emotionaler Kontrolle liefert. Diese klappt nach Ansicht von Entwicklungspsychologen im späteren Erwachsenenalter einfach besser.