Dienstag, 2. August 2011

Geheime Kulte der Antike

Aus: epoc, 5/2011

Die Mysterien von Mithras, Demeter und Isis waren ein besonderes Phänomen der antiken Religion. Nur wer sich in geheimen Riten einweihen ließ, erfuhr "wahre" Gottesnähe. Ein heimliches Glück – denn über den Kult musste absolutes Stillschweigen gewahrt werden, um sich seiner Verheißungen sicher zu sein: ein Leben im Wohlstand und eine sorglose Existenz im Jenseits.

"Antike Religion hatte wenig mit dem zu tun, was wir heute unter Religion verstehen." Wie der Philologe und Religionswissenschaftler Fritz Graf von der Ohio State University in Columbus (USA) im Interview für epoc beschreibt, folgte die Religion der Griechen und Römer anderen Regeln. So versuchte man die Götter durch Weihgeschenke und Tieropfer für sich und seine Bedürfnisse günstig zu stimmen. Doch ging es den damaligen Menschen dabei vor allem um Belange im Hier und Jetzt: die Heilung von Krankheiten, der Sieg in einer bevorstehenden Schlacht, Schutz und Gesundheit für die Familie. Dagegen oblag die Sorge um ein Leben nach dem Tod den Mysterien – besonderen Kulten, die stark von der traditionellen Religionsausübung abwichen. So waren die Riten geheim und wurden nachts gefeiert.

In der neuen Ausgabe von epoc Heft 5/2011, dem Magazin für Archäologie und Geschichte, befassen sich Altertumswissenschaftler verschiedenster Disziplinen mit diesem Phänomen. Einleitend zeichnet die Archäologin Karin Schlott ein Bild vom ältesten Mysterienkult in Eleusis nahe Athen. Dort feierten seit dem Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. jährlich Tausende die Mysteria zu Ehren der Getreidegöttin Demeter und ihrer Tochter Kore. Trotz der strengen Geheimhaltung können diese Mysterien als einer der am besten bezeugten Kulte Griechenlands gelten, deren Strahlkraft bis weit in die römische Kaiserzeit reichte.

Mehrere Tage verbrachten die Anwärter in Athen, um zu fasten und nach einem langen Marsch in Eleusis eingeweiht zu werden – ein schauderhaftes und angstvolles Erlebnis soll es gewesen sein, der Gottheit wahrhaftig gegenüberzutreten. Zudem vergleichen antike Autoren die Einweihung mit einer fürchterlichen Todeserfahrung, auf die befreiende Glückseligkeit folgte.

Im 4. Jahrhundert v. Chr. hielt eine fremde Göttin Einzug in das Pantheon der griechischen Götter: Isis. Der Ägyptologe Martin Bommas von der University in Birmingham zeigt aus archäologischer wie religionswissenschaftlicher Perspektive, wie sich der Kult der Isis, die Seeleute als ihre Schutzgöttin verehrten, von Alexandria über die Häfen der Mittelmeerwelt im 1. Jahrhundert v. Chr. bis nach Rom ausgebreitet hatte. Eine Einweihung in ihre Mysterien verhieß den Gläubigen Reichtum im Diesseits wie Jenseits und ermöglichte Zugang zu einem breiten Netz Gleichgesinnter.

Der Netzwerkgedanke scheint auch für die Initiation in den Kult des Mithras eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Der ursprünglich altpersische Gott war während der römischen Kaiserzeit besonders für Soldaten und soziale Aufsteiger attraktiv, bot er doch eine vertraute Gemeinschaft und verlässliche Kontakte – egal an welchen Ort das Heer verlegt wurde.

Nur wenige antike Schriftquellen berichten über die Inhalte des Kults, wie der Mithras-Experte Andreas Hensen von der Universität Heidelberg in epoc darlegt. Inzwischen stehen aber Grabungsergebnisse von zahlreichen Verehrungsstätten zur Verfügung. Derartige Mithräen waren stets als höhlenartiger Raum mit seitlichen Lagerstätten gestaltet, in dem opulente Bankette abgehalten wurden.

Ebenso belegt ein Fund aus Süddeutschland, dass die Adepten bei der Einweihung offenbar mit einem Trickschwert symbolisch erstochen wurden. In Vielem bleibt dieser Kult aber noch rätselhaft, zumal Forscher frühere Deutungen nun stark bezweifeln. So erscheint es unwahrscheinlich, dass Skorpion, Schlange und Hund, die auf dem Kultbild des Mithras den stiertötenden Gott begleiten, Sternbilder darstellen sollen.