Donnerstag, 21. Juni 2012

Die ferne Zukunft der Sterne

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2012

Wie sieht die Zukunft des Kosmos aus? Auf den ersten Blick wirken die Aussichten für uns Menschen düster: In fünf Milliarden Jahren bläht sich die Sonne zu einem Roten Riesen auf und verschlingt dabei das innere Sonnensystem – bevor sie selbst langsam verglimmt. Doch dieser Zeitrahmen erfasst nur einen winzigen Teil – genau genommen einen unendlich kleinen Teil – der gesamten, aus heutiger Sicht unendlich langen Zukunft.

Was dann passiert? Manche meinen, die glorreichen Tage des Universums seien damit fast vorbei – doch weit gefehlt! Wie "Spektrum der Wissenschaft" in seiner Juli-Ausgabe berichtet, werden in den kommenden Milliarden und Billionen Jahren noch zahlreiche, darunter auch völlig neue Himmelsphänomene in Erscheinung treten.

Denn die drohende Dunkelheit stellt nur die halbe Wahrheit dar. Zwar ist die glorreiche Epoche der massenhaften Sternentstehung schon lange vorüber, aber das Universum ist immer noch lebendig. Im Zoo der astronomischen Objekte werden merkwürdige neue Körper auftauchen. Fremdartige Phänomene, die heute noch extrem selten sind, wenn es sie überhaupt gibt, werden irgendwann zum Normalfall. Auch lebensfreundliche Bedingungen werden im künftigen Kosmos häufiger anzutreffen sein als im heutigen.

Um scheinbar unvereinbare Theorien über Elementarteilchen und fundamentale Naturkräfte miteinander zu versöhnen, prognostizieren Physiker Vorgänge, die erst nach Billionen von Jahren oder noch längeren Zeiträumen auftreten, wie etwa den Zerfall der Protonen oder das Verdampfen Schwarzer Löcher. Im vergangenen Jahrzehnt untersuchten Astrophysiker anhand von Modellen, wie sich Entstehungsprozesse und chemische Zusammensetzung von Sternen und Galaxien seit dem Urknall verändert haben. Dieses Wissen über die Vergangenheit erlaubt ihnen nun, die Trends in eine ferne Zukunft zu extrapolieren.

Sterne werden in interstellaren Wolken aus Gas und Staub geboren, die die hundertausendfache bis mehrmillionenfache Masse der Sonne enthalten. Überall in der Milchstraße haben sich in solchen stellaren Kreißsälen bereits einige hundert Milliarden dieser Objekte gebildet – und es werden noch einige zehn Milliarden hinzukommen. Doch der Vorrat an Rohmaterial für neue Sterne geht allmählich zur Neige. Die massereicheren unter ihnen explodieren zwar als Supernova und geben so einen Teil ihrer Materie an den interstellaren Raum zurück. Zudem strömt Gas aus dem intergalaktischen Raum in Galaxien hinein. Doch das reicht nicht aus, um all die in Sternen gebundene Materie zu ersetzen.

Doch dramatische Veränderungen können den Marsch in die stellare Dunkelheit unterbrechen. Unsere Milchstraße beispielsweise wird schon vergleichsweise bald – in wenigen Milliarden Jahren – mit der Andromeda-Galaxie kollidieren, der uns am nächsten liegenden großen Spiralgalaxie. Die dichten Zentralregionen der beiden Systeme verschmelzen dann entweder miteinander, oder sie beginnen, ihr gemeinsames Massenzentrum zu umkreisen. Interstellares Gas und Staub werden bei der Entstehung von "Milchomeda" kräftig durcheinandergewirbelt, und dadurch flammt die Sternentstehung zeitweise noch einmal auf. Astronomen nennen so etwas einen "Starburst", die explosionsartige Entstehung neuer Himmelskörper. Sobald sich diese Aktivität abschwächt, ähnelt das verschmolzene System immer mehr einer Elliptischen Galaxie, also einem reifen Sternsystem mit nur noch wenig Rohmaterial für die Bildung neuer Objekte und dementsprechend niedriger Entstehungsrate. Es werden sich aber nicht nur weniger Sterne bilden – sie werden einem anderen Typ angehören, weil sich künftig ihr Ausgangssubstrat umwandelt.

Und was ist mit erdähnlichen Planeten? Die Sammlung entsprechender Beobachtungen von Weltraumteleskopen steckt erst in den Anfängen. Aber da sie fast vollständig aus schweren Elementen bestehen, sollte der Effekt bei ihnen sogar noch stärker auftreten – das Universum der Zukunft dürfte mit Planeten angefüllt sein. Obwohl neue Sterne immer seltener entstehen, wird wohl etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Planeten, die jemals existieren, erst noch geboren! Auf den ersten Blick erscheint diese Zunahme nicht unbedingt als ein Vorteil für die Entstehung von Leben. Denn die meisten Sterne der Zukunft werden deutlich masseärmer und leuchtschwächer sein als unsere Sonne.

Doch glücklicherweise können auch solche Himmelskörper lebensfreundliche Bedingungen bieten. Zum Beispiel können Sterne mit nur mit einem Promille der Sonnenleuchtkraft Trabanten auf sehr engen Umlaufbahnen besitzen, deren Temperaturen flüssiges Wasser ermöglichen, vermutlich die Hauptbedingung für die Lebensentstehung. Planeten treten künftig nicht nur häufiger, sondern sie enthalten auch mehr lebensförderliche chemische Elemente. Denn zumindest die Organismen auf der Erde brauchen nicht nur Wasser, sondern auch Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Im Lauf der Zeit sollte der wachsende Anteil an diesen Elementen die Planeten also lebensfreundlicher machen.

Während einerseits immer weniger Sterne entstehen, sollten diese andererseits immer häufiger auch auf potenziell Leben tragende Planeten herabscheinen. Unabhängig davon, wie viel Leben es im heutigen Universum gibt – in der Zukunft wird es vermutlich mehr und unterschiedlichere Lebensformen geben.