Mittwoch, 25. Juli 2012

Genschalter im Gehirn entscheiden über Drogensucht und Depression

Was genau ist im Gehirn eines depressiven Patienten verändert? Warum kommen manche Suchtkranke ihr Leben lang nicht von der Droge los, während anderen der Entzug gelingt? Dank der modernen Molekularbiologie zeichnen sich nun Antworten auf diese Fragen ab.

In den zurückliegenden Jahren haben Forscher verschiedene Mechanismen entdeckt, die zu einem stärkeren oder schwächeren Ablesen von Genen führen. Dabei markieren Eiweiße das jeweilige Gen, worauf es aktiver oder passiver wird – manchmal für den Rest des Lebens. Solche Veränderungen spielen bei Drogensucht und Depression eine große Rolle, wie der Neurowissenschaftler Eric J. Nestler vom Mount Sinai Medical Center (New York) in der August-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" berichtet.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, August 2012

Bei Mäusen etwa schaltet eine Dosis Kokain fast hundert Gene im Gehirn neu an. Einige dieser Erbanlagen steigern ihre Aktivität auf ein extrem hohes Niveau, wenn die Tiere regelmäßig Kokain erhalten. Und die Veränderungen halten an: Noch nach wochenlangem Entzug reagieren die betroffenen Gene sehr empfindlich auf die Droge. Dies erhöht die Gefahr eines Rückfalls und bahnt den Weg zur Sucht. Ähnliche Vorgänge dürften auch im Gehirn von drogensüchtigen Menschen ablaufen.

Depressionen gehen ebenfalls mit veränderten Genaktivitäten im Gehirn einher. Bei Mäusen, die depressive Symptome zeigen, nachdem sie sozialem Stress ausgesetzt waren, sind mehr als tausend Gene im Gehirn herunterreguliert. Ähnliche Veränderungen finden sich im Hirngewebe von Menschen, die zum Zeitpunkt ihres Todes an einer Depression gelitten hatten.

Antidepressiva wirken der Schwermut entgegen. Wie Versuche an Mäusen vermuten lassen, wirken diese Arzneien dadurch, dass sie Gene in Gang setzen, die die Wirkungen von chronischem Stress bekämpfen. Möglicherweise können die Forscher diesen Effekt ausnutzen und neue Medikamente entwickeln, um die psychische Widerstandskraft zu steigern. Allerdings müssten solche Substanzen gezielt in den betroffenen Hirnregionen wirken. Hierfür wollen die Forscher jene Gene in den Hirnzellen finden, die bei Drogensucht und Depression ihre Aktivität verändern, um diese selektiv anzukurbeln oder einzudämmen.