Mittwoch, 14. November 2012

Menschen mögen’s magisch

Heidelberg. Ist es normal, auf dem Toast das Gesicht einer Heiligen zu sehen oder Angst vor schwarzen Katzen zu haben? Unerklärlich ist es jedenfalls nicht, weiß Psychologe Richard Wiseman von der University of Hertfordshire (GB). Denn das menschliche Gehirn ist quasi darauf programmiert, in vielen Dingen mehr zu erkennen als nur die nüchterne Realität. Dieser Mechanismus war für das Überleben unserer Vorfahren einst wichtig, erklärt der ehemalige Zauberkünstler in der neuen Ausgabe des Magazins "Gehirn und Geist" (12/2012).

Jeder Vierte fürchtet sich vor der Zahl 13, an die Kraft eines vierblättrigen Kleeblatts glauben 42 Prozent aller Deutschen. Obwohl sich Wetterfühligkeit bei Arthritis, zukunftsweisende Träumen oder Telepathie bisher nicht wissenschaftlich nachweisen ließen, kommt der Glaube an das Paranormale nicht aus der Mode. Für uns ist es oft entscheidend, Zusammenhänge sofort zu erkennen: Wer nicht merkt, dass das seltsam schmeckende Essen die spätere Übelkeit verursachte, handelt sich beim nächsten Mal erneut eine Magenverstimmung ein. Unser Kausalitätssinn sucht aber auch dann einen Urheber, wenn wir es einfach mit Zufällen zu tun haben – und schon sind wir beim Übersinnlichen.

Auch das Erkennen von Gesichtern und Emotionen ist für ein erfolgreiches Sozialleben unverzichtbar. Wie weit das Denken deshalb Dinge vermenschlicht, zeigt der klassische Versuch des Psychologen Fritz Heider, der einen Film mit geometrischen Figuren schuf, denen seine Probanden Gefühle und Absichten zusprachen. Kein Wunder also, dass uns häufig selbst Rauchschwaden oder Schatten als Geisterwesen erscheinen.

Der Neuropsychologe Peter Brugger von der Universität Zürich war von der Echtheit übersinnlicher Phänomene lange Zeit selbst überzeugt. Als seine Probanden die Augenzahl eines Würfels per Telepathie erkennen sollen, beobachtete er per bildgebender Verfahren, was sich beim Aberglaube im Kopf abspielt: Vor allem die rechte Hirnhälfte lässt die Fantasie mancher Zeitgenossen übersprudeln, erklärt Brugger im Interview mit "Gehirn und Geist". Dieser Kreativitätsüberschuss kann dabei durchaus auch von Vorteil sein.

Aus: Gehirn und Geist, Dezember 201