Donnerstag, 10. Januar 2013

Bayerisches Know-how schuf Böhmens weltberühmtes Bier

Grenzübergreifende Kooperation funktionierte bereits 200 Jahre vor Gründung der Europäischen Union: Ein niederbayerischer Braumeister erfand in Pilsen das beliebteste Bier der Welt

Vilshofen/Pilsen (obx) - Wer von Ostbayern über die Autobahn nach Prag fährt, kommt an Pilsen nicht vorbei. Berühmt wurde und ist diese Stadt, wegen ihres Biers: dem Pils oder Pilsener. Dieser heute meistgetrunkene Biertyp der Welt ist Ergebnis eines bayerisch-böhmischen Know-how-Transfers, der bereits 200 Jahre vor der Aufnahme Tschechiens in die Europäische Gemeinschaft bestens funktionierte. Denn erfunden wurde das Pilsner, weltweit der Star unter den Bieren, Mitte des vorletzten Jahrhunderts nicht von einem Böhmen, sondern von einem Braumeister aus Niederbayern: Josef Groll aus der Donaustadt Vilshofen.

Die Tschechen führen heute mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 159,3 Litern pro Jahr die Biertrinker-Hitparade an, mit deutlichem Abstand gefolgt von den Deutschen mit 109,3 Litern. Nirgendwo wird aber mehr Bier gebraut als in Deutschland: 8.985.300 Liter gebraut in 1341 Brauereien, von denen nahezu die Hälfte ihren Sitz in Bayern haben. Über 50 Prozent des getrunkenen Biers ist Gerstensaft nach Pilsener Brauart - und das gäbe es vermutlich nicht, wäre nicht vor 170 Jahren ein junger Niederbayer nach Böhmen ausgewandert.

Das Wasser von Pilsen sei besser zu trinken, als das in der Stadt gebraute Bier, hieß es Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Qualität des Biers war so schlecht, dass im Jahr 1838 sogar der Magistrat von Pilsen die öffentliche Vernichtung von 36 Fässern anordnete - eine große Schande für die Bier liebenden Böhmen. Die suchten deshalb nach diesem Vorfall einen kompetenten Berater aus dem damals bereits für sein Bier berühmten Bayern. Angeheuert wurde der 29 Jahre junge Josef Groll. 1842 reiste der Braumeister mit einem alten Braurezept seines Vaters in der Tasche und zwei Helfern ins 180 Kilometer entfernte Pilsen. Innerhalb weniger Monate schaffte Groll, woran sich zuvor die böhmischen Braumeister erfolglos versucht hatten und erfand den heute meistgetrunkenen Biertyp der Welt.

Zunächst stellte er die bis dahin übliche obergärige Bierproduktion auf eine Untergärung um. Sein entscheidender Einfall aber war der Austausch des damals dunklen gegen helles Malz und er setzte überdurchschnittlich viel Hopfen zu. Das weltberühmte Pilsner mit seiner lichtgelben Farbe und dem edel-bitteren Geschmack war geboren. Über zwei Drittel des gesamten deutschen Bierausstoßes von rund 106 Millionen Hektolitern pro Jahr entfallen heute auf diese herb-hopfige Gerstensaft-Sorte. Weizen, Kölsch, Dunkelbier und Co. können von solchen Zahlen nur träumen. Jeder zweite Mann trinkt einmal pro Woche ein Pils, ein Drittel sogar mehrmals wöchentlich. Der Pro-Kopf-Verbrauch von 117,5 Litern sichert den Deutschen Platz drei der Europa-Rangliste, hinter Tschechien und Irland.