Dienstag, 23. April 2013

Gibt es noch Rettung für die Flussperlmuschel?

Ihre kostbaren Süßwasserperlen haben sie berühmt gemacht - aber auch beinahe zur Ausrottung geführt. Mit einem Pionier-Projekt zur großangelegten Nachzucht der "Perlen der Bäche" versuchen jetzt Forscher in Niederbayern, die seltenen Schalentiere zu retten.

Passau (obx) - Einst zierten ihre kostbaren Perlen die Kronen des bayerischen Adels - heute steht die Flussperlmuschel durch Perlenräuberei und veränderte Umweltbedingungen in ganz Europa kurz vor dem Aussterben. In Niederbayern arbeiten Forscher seit Jahren an einem Pionier-Projekt zur äußerst komplizierten Nachzucht der empfindlichen Muscheln. Jetzt wollen die niederbayerischen Landkreise Passau, Regen und Freyung-Grafenau sowie die Stadt Passau gemeinsam einen großangelegten Rettungsversuch für die hochbedrohten Tiere starten: mit der Nachzucht und Auswilderung zehntausender Flussperlmuscheln in ihrem ostbayerischen "Stammland".

Schon die bayerischen Könige, Herzoge und Grafen wussten die Flussperlmuschel zu schätzen. Traditionell war es dem herrschenden Adel vorbehalten, die kostbaren Süßwasserperlen aus Bayerns Bächen zu "ernten". Muschelräubern drohten drakonische Strafen: vom Erhängen bis zum Abschlagen der Hände. Entsprechend ungestört konnten sich die Tiere besonders in Ostbayern ausbreiten.

Doch als der Adel abdankte, entwickelte sich die Perlenräuberei zum Volkssport. Auch die wachsende Verschmutzung der Gewässer setzte der empfindlichen Flussperlmuschel gewaltig zu: Heute sind die einst flächendeckenden Muschelbänke in Ostbayerns Bächen auf einen kleinen Restbestand von wenigen tausend Exemplaren geschrumpft. Die überlebenden Flussperlmuscheln sind oft sehr alt und können sich nicht mehr fortpflanzen.

"Obwohl die Wasserqualität inzwischen wieder gut genug ist, leidet die Flussperlmuschel heute unter anderen Umwelteinflüssen", sagt Andreas Sperling, Naturschutzreferent im Landratsamt Passau. Insbesondere der von immer größeren Ackerflächen in die Flüsse eingetragene Schlamm könne Jungmuscheln heute schnell verschütten.

Um Ostbayerns "Perlen der Bäche" vor dem endgültigen Aussterben zu bewahren, arbeiten Forscher und Umweltschützer in Niederbayern seit Jahren an der extrem komplizierten Nachzucht der Flussperlmuschel. Die gut geschützte Zuchtanlage bei Passau gehört zu den ersten erfolgreichen Zucht-Projekten weltweit.

Ab 2014 wollen die niederbayerischen Landkreise Passau, Freyung-Grafenau, Regen und die Stadt Passau jetzt einen Nachzuchtversuch im großen Stil zur Rettung der Flussperlmuschel in Ostbayern starten. Derzeit läuft ein Antrag auf Fördermittel für das Projekt beim Bundesamt für Naturschutz.

Was die Rettung der Flussperlmuschel so schwierig macht, ist ihre komplizierte Fortpflanzung: Gibt eine Muschel ihren Samen ab, muss der in den Kiemen einer Bachforelle geschwemmt werden. Dort wachsen die Jungmuscheln heran und fallen schließlich auf den Flussboden, wo sie noch rund zehn Jahre wachsen müssen, bevor sie robust und bewegungsfähig sind. Flussperlmuscheln können über 200 Jahre alt und mehr als zehn Zentimeter groß werden.

In Passau sollen bald zehntausende Flussperlmuscheln in Zuchtbecken mit vielen Bachforellen künstlich aufgezogen werden. In geschützten Käfigen reifen die Jungmuscheln dann an geeigneten Bachstellen weiter heran.

Wer jetzt auf neue Süßwasserperlen in Ostbayerns Bächen hofft, der wird sich noch lange gedulden müssen. Nur in ganz wenigen Flussperlmuscheln wächst diese kostbare "Frucht" heran - in 50 bis 70 Jahren.