Heidelberg. Jahrzehntelang galt es als ausgemacht, dass reaktionsfreudige
Atome und Moleküle (etwa "freie Radikale") die Alterung vorantreiben, indem sie
Zellen schädigen und damit Gewebe und Organe beeinträchtigen. Man glaubte, die
zusätzliche Einnahme von Antioxidantien, etwa Vitamin C, wirke diesen Schäden
entgegen und halte damit den Alterungsprozess auf. Neue Studien an Mäusen und
Fadenwürmern stellen diese Annahme in Frage. Sie zeigen, dass ein erhöhter
Spiegel an freien Radikalen mitunter sogar das Leben verlängert. Offenbar
kurbeln diese reaktionsfreudigen Substanzen zelluläre Reparatursysteme an, wie
"Spektrum der Wissenschaft" in seiner Oktoberausgabe berichtet.
Wenn freie Radikale nicht immer schädlich sind, dann sind ihre Gegenspieler,
die Antioxidantien, wohl auch nicht immer nützlich. Tatsächlich haben
Experimente gezeigt: Genetisch veränderte Fadenwürmer, die unter stärkerem
oxidativen Stress stehen, leben länger als ihre normalen Artgenossen.
Verabreicht man ihnen Vitamin C, büßen sie ihren Zugewinn an Lebenszeit wieder
ein. Diese und andere Studien lassen vermuten, dass die künstliche Zufuhr von
Vitaminen und anderen Nahrungsergänzungsmitteln mehr schaden als nützen könnte,
zumindest bei gesunden Menschen. Deshalb empfehlen mehrere medizinische
Fachgesellschaften inzwischen, auf die ergänzende Einnahme von Antioxidantien zu
verzichten – es sei denn, sie geschieht zur Behandlung eines ärztlich
festgestellten Vitaminmangels.