Montag, 23. September 2013

Polarlichtsturm über dem hohen Norden

Heidelberg. Drei Polarlichtjäger brachen im Frühwinter 2012 auf, um das farbige Himmelsleuchten des hohen Nordens zu erkunden. Sie spürten den Forschungen nach, die der Physiker Kristian Birkeland genau 100 Jahre zuvor initiierte und die heute im Observatorium EISCAT fortgesetzt werden. Dann aber folgte das größte Abenteuer: einer der stärksten Polarlichtstürme der letzten Jahre.

Das Polarlicht gehört zu den eindrucksvollsten Naturschauspielen. Manche Menschen bezeichnen es als "Lebendiges Licht", denn es kann den gesamten Himmel beherrschen, sich schnell verändern und dabei einen atemberaubenden Formenreichtum entfalten. Wer dieses Phänomen mit eigenen Augen erlebt hat, kommt nicht mehr davon los. So erging es auch drei Beobachtern aus Deutschland, die im Herbst 2012 in das südliche Lappland aufbrachen, um die dortige Polarlichtforschung aus eigener Anschauung kennenzulernen. Und sie kehrten mit reicher Beute heim: mit Himmelsaufnahmen, die eine Detailfülle offenbaren, die bisher nur wenige Fotografen im Bild festhalten konnten und mit außergewöhnlichen Erlebnissen, über die sie im Oktober-Heft der Zeitschrift Sterne und Weltraum berichten.


Die Tour der drei begann mit einem Besuch des Observatoriums EISCAT (European Incoherent Scatter) im norwegischen Tromsö – eine der bedeutendsten Einrichtungen, die sich mit dem Phänomen befasst und fortwährend mit riesigen Radioantennen den Himmel abscannt. EISCAT setzt die Forschungen fort, die der norwegische Physiker Kristian Olaf Birkeland (1867 – 1917) vor mehr als 100 Jahren einleitete. Durch Laborexperimente gelang es Birkeland im Jahr 1913, Polarlichter künstlich zu erzeugen. Birkeland ahnte: Das Magnetfeld der Erde fängt geladene Teilchen ein, die von der Sonne kommen und die entscheidend zur Entstehung des Polarlichts beitragen.

Genau diesen Prozess konnten die Polarlichtreisenden am Himmel nachvollziehen. Das Glück bescherte ihnen eine Phase besonders hoher Aktivität des Erdmagnetfelds: Sie wurden Zeugen eines Polarlichtsturms, der im »Auge der Korona« gipfelte. Sterne und Weltraum, Heft 10/2013, das am 17. September erscheint, lässt die Leser an diesem seltenen Naturerlebnis teilhaben.

Zum Hintergrund: Teils als strahlenförmige Gebilde, teils als Bänder und Bögen, fesseln Polarlichter das Auge des Beobachters. Sie entstehen durch energiereiche elektrisch geladene Partikel, die von aktiven Regionen der Sonne freigesetzt werden. In Erdnähe angekommen, werden die Teilchen im Magnetfeld unseres Heimatplaneten beschleunigt und dringen in die Atmosphäre ein, wo sie die Atome der Lufthülle zum farbigen Leuchten anregen. Von Mitteleuropa aus sind diese Erscheinungen nur bei sehr hoher Sonnenaktivität zu sehen – am Polarkreis und nördlich davon, aber auch außerhalb dieser Phasen. Besonders im Frühjahr und Herbst, wenn es im hohen Norden dunkle Nächte gibt und das Erdmagnetfeld günstig zur Sonne orientiert ist, ist Saison für Polarlichtbeobachter.


Der Pionier der Polarlichtforschung, Kristian Olaf Birkeland, nutzte für seine Experimente eine die Erde darstellende magnetische Kugel – eine so genannte Terrella – die er in eine gläserne Vakuumkammer stellte. Dann zielte er mit einem Elektronenstrahl, ähnlich dem in einer Fernsehbildröhre, auf die magnetisierte Kugel und beobachtete die Bahnen der Elektronen anhand der Leuchtspuren, die sie in der Restluft der Kammer hinterließen. Das Leuchten folgte den magnetischen Feldlinien und lief nahe der Pole der Terrella zusammen. Mit dieser Beobachtung hatte Birkeland vor 100 Jahren den Schlüssel zu einer physikalischen Erklärung des sagenumwobenen Himmelsleuchtens gefunden.