Den Kern des Problems sieht Meyerhöfer vor allem darin, dass Schüler im Unterricht zwar verschiedene Rechentechniken einüben, aber kaum lernen, warum diese Verfahren funktionieren. Das mache vor allem schwächeren Schülern zu schaffen – sie verlieren den Anschluss dann spätestens, wenn die Rechenaufgaben komplexer werden. An eine "Mathebegabung" glaubt Meyerhöfer nicht: "Diese Zuschreibung dient vorrangig der Selbstbefriedigung auf der einen und der Selbstherabwürdigung auf der anderen Seite." Der Schulstoff sei prinzipiell für jeden versteh- und erlernbar.

Lehrer müssten gewährleisen, dass der Stoff am Ende auch für alle Schüler gleichermaßen begreifbar ist, sagt der Mathedidaktiker. Stattdessen werde Kindern die Misere der Schule als eigenes Stigma attestiert. "Seit einigen Jahren mischt sich auch noch die Medizin ein und erfindet Krankheiten wie Rechenschwäche, Legasthenie oder ADHS, die ganz offen unterstellen, dass das Problem beim Kind liegt. Das hilft Lehrern, Schulbehörden und zum Teil auch den Eltern, sich ihrem eigenen Versagen nicht stellen zu müssen", so Meyerhöfer.

Um zu verhindern, dass "Rechenschwache" später zu mathematischen Analphabeten werden, müsse man vor allem Schule und Unterricht verändern, fordert Meyerhöfer. Das Lehramtsstudium sei hierfür ein guter Ansatzpunkt: "Die Lehrerausbildung ist falsch strukturiert. Bestimmte Ideen kann ich bei den Studierenden gar nicht verankern, weil sie noch gar nicht genug unterrichtet haben. Meiner Meinung nach sollten wir das Studium verkürzen und dafür die Lehrer nach fünf Berufsjahren noch einmal über ihr Tun reflektieren lassen."