Mittwoch, 22. Januar 2014

"Little Havanna" im Bayerischen Wald hat keine Absatzsorgen

In einer kleinen niederbayerischen Tabak-Manufaktur boomt trotz Rauchverbot die Nachfrage nach einem bayerischen Stammtisch-Klassiker: der guten alten Virginia.

Perlesreut (obx) - 7900 Kilometer liegen zwischen Kuba und Perlesreut im Bayerischen Wald. Doch in einem romantischen Haus direkt am Marktplatz des niederbayerischen Städtchens ist Havanna ganz nah. Der würzige Duft aromatischer Tabakblätter dringt aus dem Anwesen, das mit seinen weißen Säulengewölben dem Landsitz eines karibischen Tabakbarons ähnelt. Beim Blick ins Innere des Gebäudes offenbart sich dem Besucher eine scheinbar exotische Welt. Im warmen Licht alter Emaille-Lampen, auf Arbeitstischen, an denen die Jahrzehnte deutliche Spuren hinterließen, rollen hier neun Frauen im 30-Sekunden-Takt wie in Havannas Tabakmanufakturen einen bayerischen Stammtisch-Klassiker: die 21 Zentimeter lange Bayerwald-Virginia - unbeeindruckt von allen aktuellen Rauchverboten.

Die bayerischste aller Zigarren ist ein echtes Unikum: mit langer spitzer Silhouette, einem Strohhalm-Mundstück und dem eingebundenen Luftkanal aus original spanischem Dünengras. Ihre Berühmtheit in den Alpenländern hat die Virgina durch ihre prominenten Genießer, den österreichischen Kaiser Franz Josef und Prinz Luitpold von Bayern erlangt. Die Schafkopfer in den oberbayerischen und österreichischen Wirtshäusern rauchten sie ebenso, wie die Oberpfälzer Holzarbeiter.

Die "bayerische Virginia", die weltweit nur noch in Perlesreut in Handarbeit hergestellt wird, hat allen Anti-Raucherkampagnen zum Trotz bis heute einen treuen Abnehmerkreis. Ihr Duft und ihre extravagante Form werden von Liebhabern weit über die Grenzen Deutschlands hinweg auch in Österreich, der Schweiz und in Spanien geschätzt.

Die klassische "bayerische Virginia" besteht aus gerissenen Virginiasorten, sowie verschiedenen Java- und Sumatra-Anteilen, die mit einem Umblatt in Form gebracht werden. Jede Zigarre wird mit einem halben Tabakblatt der Sorte "Virginia dark fired" oder "Kentucky dark fired" ummantelt und mit Hilfe von Weizenstärke verklebt.

Das bringt den Geschmack, den Virginia-Fans lieben: Das Virginiablatt durftet nach Honig und das Kentucky-Blatt schmeckt wie Geräuchertes, weiß Cornelia Stix, Geschäftsführerin der Cigarrenmanufaktur Wolf & Ruhland in Perlesreut. Die Bayerwald-Virginia ist im Gegensatz zu den meisten industriell gefertigten Zigarren absolut naturblassen: ganz ohne Aromastoffe, Konservierungsmittel oder Brandverstärker.

Vor gut hundert Jahren hat der Mannheimer Hermann Wolf die Cigarrenmanufaktur Wolf & Ruhland gegründet und in den 20er Jahren nach Perlesreut verlegt. Seit 2006 führt Cornelia Stix das Familienunternehmen. Heute beschäftigt sie neun Frauen, von denen jede zwischen 100 und 130 Zigarren pro Stunde rollt.

Die Cigarrenmanufaktur im Schatten der Perlesreuter Pfarrkirche ist längst kein Geheimtipp mehr. Besucher sind in "Little Havanna" mitten im Bayerischen Wald herzlich willkommen. Viele - auch Prominente wie der frühere Boxweltmeister Axel Schulz - nehmen die Bayerwald-Virginias, Zigarillos oder Zigarren als Souvenir mit nach Hause. Der Rest der handgerollten Zigarrenspezialitäten geht per Spedition auf die Reise zu den Tabakliebhabern auf der ganzen Welt.