Mainz. Mit Meldungen über systematische Plünderungen archäologischer Stätten und Museen wie auch die gezielte Vernichtung von Kulturgut in Krisengebieten sieht sich eine entsetzte Weltöffentlichkeit derzeit konfrontiert. Nachdem die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, UNESCO, am 29. Juni die „Bonner Erklärung zum Welterbe“ verabschiedete, in der sie diese Zerstörungen anprangert, veranstaltete das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) gemeinsam mit dem Magazin zenith am 10. Juli eine Podiumsdiskussion in Mainz zum Thema »Krieg gegen die Zivilisation. Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?«, in der es um Möglichkeiten ging, wie dieser Bedrohung konkret zu begegnen ist. Experten aus den Bereichen Archäologie, Medien, Politik und Justiz waren sich einig: Das Bewusstsein für die Gemeinschädlichkeit des Handels mit Antiken zweifelhafter Herkunft und die Notwendigkeit wirksamer Kulturschutzgesetze ist die Grundvoraussetzung einer jeden Lösung.
Michelle Müntefering, Mitglied des deutschen Bundestags, erwähnte, dass im Koalitionsvertrag vereinbart sein, dass vor allem auch die Terrorfinanzierung durch die Vermarktung geplünderter Antiken unterbunden werden müsse. Dafür müsse jedoch ein besseres Gesetz her. Denn 2008 sei ein zunächst schärfer formulierter Gesetzesentwurf durch das Listenprinzip verwässert worden. Diesmal müsse die Umsetzung der von der UNESCO geforderten Bestimmungen gelingen. In Sachen Pelz- und Elfenbeinhandel sei die Öffentlichkeit sensibilisiert. „Das müssen wir auch für den Handel mit illegalen Antiken schaffen“, sagte Müntefering zur Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes.
Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museum Philadelphia und Buchautorin von »Stolen, Smuggled, Sold: On the Hunt for Cultural Treasures« befasste sich die letzten Jahre mit der Problematik von Antiken zweifelhafter Herkunft – auch aus Sicht von Museen. Moses appellierte an Antikenhändler und private Sammler, keine Antiken ohne lückenlosen Herkunftsnachweis zu kaufen. Denn während viele Museen mittlerweile nicht mehr bereit seien, solche Objekte zu erstehen, verschwänden viele archäologische Stücke, ihres Fundkontextes und damit ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt, in privatem Besitz, wo sie Wohnungen oder Büros schmücken oder als Vermögensanlage dienen.
Auf die Frage des Moderators Daniel Gerlach, Chefredakteur des Magazins zenith, ob die in den Medien gezeigten drastischen Bilder geplünderter archäologischer Stätten denn nicht jedem die Auswirkungen des illegalen Antikenhandels vor Augen führten, entgegnete Amir Musawy, Büroleiter des Senders Iraqia-TV, Berlin, resigniert: „nein, das bezweifele ich“. Er habe 2003 erlebt, wie sich die Welt erschrocken und betroffen zeigte, als das Museum in Bagdad geplündert wurde. Diese Katastrophe sei inzwischen aber längst wieder in Vergessenheit geraten. Er erhofft sich nun ab doch das längst überfällige Umdenken.
Dr. Michael Müller-Karpe, Archäologe am RGZM, mahnte, dass Antiken mit dem Hinweis ‚Herkunft unbekannt‘ in aller Regel aus krimineller Quelle stammen. Ein Antiken-Markt, der keine unangenehmen Fragen stellt, zerstöre nicht nur archäologische Stätten. Er fülle auch seit Jahrzehnten die Kassen von Kriegsparteien, die die Plünderungen in Krisengebieten durchführen. Mit der Beteiligung von Terrororganisationen wie al-Qaida und „Islamischer Staat“, an diesem Markt sei eine neue Stufe der Gefährdung unseres archäologischen Erbes erreicht. Wie Müntefering und auch Laufer sieht Müller-Karpe große Chancen in der vorgesehenen Gesetzesnovellierung – sofern die Bundesregierung tatsächlich, wie angekündigt, auf dem Nachweis einer legalen Herkunft der vermarkteten Antiken bestehen wird. Der Gegenwind werde gewaltig sein, „denn“, so Müller-Karpe, „für den Antikenhandel geht es um die Existenz“.
Ali Al-Bayati, Generalkonsul der Republik Irak, der für ein Grußwort aus Frankfurt angereist war, brachte es auf den Punkt: „We must all work together to defeat this evil terrorist Organisation to protect our heritage, the world heritage“ (Wir müssen alle zusammenarbeiten, um diese bösartige terroristische Organisation zu bekämpfen und unser Erbe – das Welterbe – zu beschützen).
Über die Veranstaltung wurde unter dem Hashtag #kriminarchRGZM getwittert und sie wurde per Video aufgezeichnet.