Donnerstag, 14. Februar 2008

Zum Tode durch Steinigung verurteilt

Vor allem im Iran wird diese archaische und grausame Hinrichtung vollzogen

Von Robert Luchs

Frankfurt/Teheran (internet-zeitung) – Innerhalb weniger Tage sind im Iran drei Menschen zum Tode durch Steinigung verurteilt worden. Die in Frankfurt ansässige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) äußerte sich darüber bestürzt und appellierte an die Bundeskanzlerin sowie an andere europäische Regierungschefs, sich bei der iranischen Regierung für ein Ende dieser grausamen Hinrichtungsform einzusetzen.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation ist Anfang Februar ein Steinigungsurteil gegen zwei Schwestern vom Obersten Strafgerichtshof der Islamischen Republik Iran bestätigt worden. Der Anwalt der Schwestern, Jabbar Solati, berichtete nach Angaben der iranischen Zeitung „Etemad“, seine Mandantinnen seien anfänglich wegen „illegaler Beziehungen“ angeklagt und zu 99 Peitschenhieben verurteilt worden. Erst in einem zweiten Verfahren wurden die beiden 27 bzw. 28 Jahre alten Frauen Zohreh und Azar Kabiri aus Karaj, rund 40 Kilometer westlich von Teheran gelegen, wegen angeblichem Ehebruch zum langsamen Tod durch Steinigung verurteilt.

Der Ehemann von Zohreh hatte seine Frau und deren Schwester im Januar wegen einer angeblichen außerehelichen Affäre verklagt. Der Mann hatte eine Kamera im Haus versteckt und filmte die Schwestern in Gesellschaft eines anderen Mannes. Sexuelle Handlungen waren auf dem Video nicht zu sehen. Die Schwestern gaben zwar zu, dass ein anderer Mann im Haus gewesen sei, doch sei es nicht zu Intimitäten gekommen. Der Mann von Azar Kabiri hatte seine Frau nicht verklagt.

Wenige Tage zuvor hatte der Oberste Strafgerichtshof das Steinigungsurteil gegen den 49-Jährigen Abdollah Farivar Moghadam bestätigt. Auch ihm wird Ehebruch
vorgeworfen. Der Vater von zwei Kindern befindet sich bereits seit dem Jahre 2004 in Haft. Ein Familienmitglied gab an, dass Abdollah Farivar nach seiner Festnahme wochenlang geschlagen worden sei. Durch die Misshandlungen soll er zu dem „Geständnis“ gezwungen worden sein, eine außereheliche Beziehung unterhalten zu haben. Nachdem er zum Tode verurteilt worden war, wiederrief er seine unter Folter gemachten Aussagen. Abdollah Farivar sitzt im Gefängnis von Sari in der Provinz Mazandaran, wo er gesteinigt werden soll.

Wie die IGFM berichtet, warten zur Zeit zehn weitere Menschen im Iran auf ihre Hinrichtung durch Steinigung. Es handelt sich überwiegend um Frauen. Im vergangenen Jahr ist die Vollstreckung von mindestens zwei Steinigungen bekannt geworden. Eine Initiative aus dem iranischen Parlament zur Abschaffung dieser menschenverachtenden Hinrichtungsart war vor einigen Jahren vom iranischen Wächterrat blockiert worden. Anfang Februar 2003 hatte der frühere iranische Justizminister Ajatollah Haschemi-Schahrudi dem damals amtierenden EU-Außenkommissar Chris Patten zugesagt, die Steinigung abzuschaffen. „Ein Regime, das die Steinigung zulässt, gehört international isoliert und geächtet wie seinerzeit das Apartheid-Regime in Südafrika,“ erklärte der Geschäftsführende Vorsitzende der IGFM, Karl Hafen.

Der Iran ist nicht das einzige Land, das Steinigungen zulässt. Entsprechende Urteile, aber auch Steinigungen ohne Urteile sind in den vergangenen Jahren auch aus Afghanistan, Nigeria, dem Irak, dem Jemen, aus Pakistan, Saudi-Arabien, dem Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt geworden. Darüber hinaus hat es in einigen Ländern Einzelfälle gegeben, die aber für das betreffende Land nicht typisch sind – zum Beispiel eine Steinigung durch ethnische Somali im Norden Kenias, bei der das Opfer überlebte, weil die Polizei in letzter Minute eingegriffen hat.

Die Steinigung gehört zum Strafenkatalog der Scharia, der islamischen Rechtsordnung und wird heute hauptsächlich durch islamische Rechtsschulen legitimiert und gefordert. In einigen Staaten ist diese archaische Form der Hinrichtung auch Teil des Strafrechts. Die Urteile sprechen Schariagerichte, aber auch einzelne Imame, oder die Steinigung wird bei Lynchmorden vollzogen.

Bei der Steinigung wird das Opfer so lange von einer Menschenmenge mit Steinen beworfen, bis der Tod eintritt. Die Größe der Steine wird so gewählt, dass das Opfer möglichst langsam und qualvoll stirbt. Zum Teil werden die Opfer im Boden eingegraben, damit sie nicht fliehen können.

Die Steinigung wird in der überwiegenden Zahl von Fällen auf Ehebruch angewandt, in seltenen Fällen auch bei Blasphemie oder Homosexualität. Der Koran selbst erwähnt zwar die Steinigung, schreibt sie aber nicht als Hinrichtungsform vor. Der Prophet Mohammed hat angeblich zu seinen Lebzeiten einige Frauen und Männer steinigen lassen, darunter auch Nichtmuslime.

Im Gesetz über die islamischen Strafen käme im Iran außer der Steinigung auch die Keuzigung in Frage. Allerdings sind aus dem Iran bisher keine derartigen Fälle bekannt geworden. Die Todesstrafe ist im islamischen Recht für eine Reihe von Delikten zwingend vorgeschrieben. In den meisten Fällen liegt die Hinrichtungsart im Ermessen des Scharfrichters. Zu diesen Delikten gehören Homosexualität unter Männern, Analverkehr, Sodomie, Inzest und Abfall vom Islam. Bei einigen Delikten, die mit Auspeitschung oder Amputationen geahndet werden, wird die Todesstrafe bei mehr-facher Wiederholung der Tat verhängt. Weibliche Homosexualität wird mit bis zu einhundert Peitschenhieben bestraft; beim vierten Mal ist die Todesstrafe vorgesehen.

Auch im antiken Griechenland sollen Menschen gesteinigt worden sein; die Urteile wurden in erster Linie wegen Verrats und schwerer religiöser Vergehen verhängt. Auch im präkolumbischen Mittelamerika sollen Ehebrecher gesteinigt worden sein, ebenso bei den Etruskern. Die Steinigung verstösst wegen ihrer außerordentlichen Grausamkeit gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und steht in krassem Widerspruch zu internationalem Recht. Die Steinigung verstösst gegen die Artikel 3 und 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und auch gegen den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und unmenschliche Bestrafung festschreiben.