Schönheitsoperationen werden immer populärer. Der Trend zur Selbstoptimierung mittels Skalpell beschäftigt heute auch Psychologen. Ihnen zufolge steigern kosmetisch-chirurgische Eingriffe das Selbstbewusstsein und die Lebensqualität vieler Operierten.
Aus: Gehirn&Geist, Januar-Februar 2011
Immer mehr Menschen lassen ihr Äußeres mittels Skalpell und Spritze optimieren. In den USA stellt die Schönheitschirurgie die am schnellsten wachsende Disziplin der Medizin dar, und auch in Deutschland berichten plastische Chirurgen über steigende Patientenzahlen. Laut Jahresbericht 2010 der Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) ist der beliebteste Eingriff unter den jungen Frauen die Brustvergrößerung; bei den Männern belegt die Lidstraffung (Blepharoplastik) den ersten Platz.
Wieso legen sich immer mehr Menschen aus ästhetischen Gründen unters Messer? Die Psychologin Ada Borkenhagen von der Universität Leipzig berichtet in der Januarausgabe von Gehirn&Geist, dass die Medien hierbei eine große Rolle spielen: »Wir begegnen ständig Bildern von idealtypischen Menschen. Sie lächeln uns von jeder Litfasssäule und von den Titelseiten der großen Magazine an.« Ein jugendliches, attraktives Aussehen gelte heute als Symbol für sozialen Erfolg.
Doch diesen Trend beäugen viele Menschen kritisch: In einer von Gehirn&Geist beauftragten, repräsentativen Umfrage im November 2010 fand über die Hälfte der rund 1000 Teilnehmer Schönheitsoperationen nur dann gerechtfertigt, wenn sie seelisches oder körperliches Leid mindern. Rund ein Sechstel lehnte kosmetische Eingriffe grundsätzlich ab. Nur knapp jeder Dritte meint, es solle jedem Meschen freistehen, sich aus ästhetischen Gründen operieren zu lassen.
Kritiker warnen jedoch vor den Risiken, die jede Operation mit sich bringt. Ein weitere Befürchtung: Wer einmal damit anfange, seinen Körper chirurgisch gestalten zu lassen, gebe sich langfristig nicht mit einer Korrektur zufrieden – immer neue Operationen sollten dann den Weg zum vermeintlich perfekten Äußeren ebnen.
"Diese Sorge ist unbegründet", erklärt Borkehagen. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass ein Eingriff den Wunsch nach weiteren Körperkorrekturen nach sich ziehe. Dies sei allenfalls bei Vorliegen einer Körperdysmorphen Störung zu erwarten – die Betroffenen leiden unter einer verzerrten Selbstwahrnehmung und bilden sich äußerliche Makel ein. Allerdings ist diese Erkrankung selten.
Doch geht es den Kunden nach einer Operation tatsächlich besser? Borkenhagen zieht ein positives Resümee aus der aktuellen Studienlage: "In den meisten untersuchten Fällen verbesserte sich das psychische Wohlbefinden der Operierten." Es liegen bislang aber keine Langzeitstudien vor, weshalb man nicht sicher wisse, ob der Effekt von Dauer sei.
Nur selten geht es den Betreffenden nach der OP schlechter als zuvor. Negative Auswirkungen erleben vor allem Kunden, die minimale körperliche Mängel beheben lassen wollen oder solche, die schon mit vorausgegangenen Eingriffen unzufrieden waren. Auch wer hofft, seine Partnerschaft dadurch verbessern zu können, zieht in der Regel keinen Nutzen aus plastisch-chirurgischen Maßnahmen.
Den meisten Menschen gelten OPs also als probates Mittel zur Steigerung der Attraktivität, ja zur Gestaltung des persönlichen Idealbilds, ähnlich wie Diäten oder Fitnesstraining. Somit scheint der Medizinhistorikers Sander Gilman mit seiner Prognose von 1999 Recht zu behalten: "In Zukunft wird es normal sein, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen.