Am 1. Mai fallen die letzten Hürden für tschechische Arbeitnehmer in Deutschland. Doch einen Ansturm von Arbeitskräften wird es laut Experten nicht geben.
Regensburg/Pilsen (ce-press - internet-zeitung) – Jeder EU-Bürger hat das Recht, ohne Einschränkungen in jedem Land der Europäischen Union zu arbeiten und zu wohnen – wirklich jeder? Wie so häufig gibt es Ausnahmen von der Regel, und eine solche gilt bislang für Tschechien. Obwohl das Land bereits seit 2004 in der EU ist, dürfen tschechische Arbeitnehmer noch nicht ohne Beschränkungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktiv werden. Doch ab dem 1. Mai ist es damit vorbei. Dann fallen die letzten Hürden auch für tschechische Arbeitskräfte in Deutschland. Kommt jetzt der von einigen befürchtete Ansturm osteuropäischer Arbeitssuchender, die zu Dumpinglöhnen arbeiten oder kann die Öffnung des Arbeitsmarktes gar den Fachkräftemangel in Ostbayern beseitigen? Experten sind skeptisch.
„Die Einführung der Freizügigkeit wird sich am hiesigen Arbeitsmarkt kaum bemerkbar machen“, sagt Richard Brunner, Projektleiter von „Wir sind Europa“ bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Regensburg. Ein Grund: Die meisten an einer Tätigkeit in Deutschland interessierten Fachkräfte seien längst hier beschäftigt. In den vergangenen Jahren waren im Schnitt zwischen 1000 und 1500 tschechische Arbeitnehmer in ostbayerischen Betrieben tätig: Sowohl im Tourismus- und Dienstleistungssektor, als auch in Handel und Produktion.
Außerdem seien die Beschäftigungsbedingungen besonders für tschechische Fach- und Führungskräfte im eigenen Land in den vergangenen Jahren viel besser geworden, so Brunner: Ausländische Investoren – auch aus Ostbayern – eine stabile Währung und die günstigeren Sozial- und Lebenshaltungskosten ließen wenig Anreiz für eine Beschäftigung im benachbarten Bayern entstehen. Darüber hinaus wird der demographische Wandel auch in Tschechien für einen verstärkten Bedarf an Fachkräften sorgen.
In einem Sektor sieht IHK-Experte Brunner dennoch Konkurrenz auf dem deutschen Arbeitsmarkt heraufziehen: „Die Zeitarbeitsbranche könnte unter Druck geraten“, sagt er. Denn die ist in den letzten Jahren auch in Tschechien stark gewachsen und könnte ab dem 1. Mai gering qualifizierte Arbeitskräfte unterhalb der Tariflöhne auch im ostbayerischen Arbeitsmarkt vermitteln.
Doch bei allen Schwierigkeiten ist Richard Brunner fest überzeugt, dass am Ende sowohl Ostbayern, als auch Westböhmen von der Öffnung des Arbeitsmarktes profitieren werden: „Dort, wo vor gerade einmal gut zwei Jahrzehnten noch Stacheldraht und Misstrauen herrschten, ist Vertrauen und Freundschaft gewachsen. Diese historische Dimension unserer heutigen Kooperation sollten wir nie vergessen“, gibt der IHK-Experte zu bedenken.
In Zukunft wird es wesentlich leichter für deutsche Unternehmen, tschechische Arbeitnehmer einzustellen. Denn das zum Teil langwierige Prüfverfahren der Arbeitsagenturen entfällt mit der Einführung der Freizügigkeit am 1. Mai. Deutsche konnten bereits in der Vergangenheit ohne Einschränkungen in Tschechien arbeiten. Etwa 500 machen von dieser Freiheit gebrauch, überwiegend in leitenden Positionen bei tschechischen Niederlassungen heimischer Betriebe. Doch auch deren Zahl ist rückläufig, sagt Robert Scherl, Geschäftsführer der Personalvermittlung Scherl&Partner, die seit 1997 auch deutsche Unternehmen in osteuropäischen Märkten in Personalfragen berät. Deutsche Unternehmen setzten in ihren tschechischen Niederlassungen zunehmend auch in gehobenen Führungspositionen auf die immer besser qualifizierten einheimischen Arbeitskräfte.
Wer dennoch den Schritt ins Nachbarland wagen will, für den sind die EURES-Berater der grenznahen Arbeitsagenturbezirke Hof, Weiden, Schwandorf, Deggendorf und Passau eine der ersten Anlaufstellen. Dort kümmern sich Fachleute im Rahmen einer Arbeitsmarktinitiative der Europäischen Union darum, Arbeitnehmern den Schritt ins europäische Nachbarland zu erleichtern. Die Probleme sind dabei für Deutsche und Tschechen ähnlich, weiß Karin Hartung, EURES-Beraterin in der Arbeitsagentur Weiden: „Haupthindernisse sind die Sprachkenntnisse und die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen“, sagt sie. Auch für Unternehmen, die in der Grenzregion zwischen Bayern und Böhmen aktiv werden wollen, bietet EURES im Internet unter http://www.eures-by-cz.com zahlreiche Hilfestellungen.