Dienstag, 31. Mai 2011

Bei Eichstätt mit Hammer und Meißel nach Fossilien suchen














Bei Eichstätt in Ostbayern können Touristen sich versteinerte Urtiere aus einer Zeit frei klopfen, in der die Alpen noch ein Meeresboden waren.


Eichstätt (obx - internet-zeitung) – Das gleiche Fieber wie einst die Goldwäscher treibt die Steinsucher im ostbayerischen Naturpark Altmühltal um: Mit Hammer und Meißel dürfen Besucher im Steinbruch am Blumenberg bei Eichstätt nach versteinerten Urtieren suchen. Das Werkzeug dafür bekommen sie dort geliehen – und Funde sind nicht selten. Sie reichen vom urzeitlichen Ammonshorn über Krebse, Tintenfische und Stachelhäuter bis zu einzigartigen Wesen der Erdgeschichte: Kugelzahn- und Schnabelfisch, der Urvogel Archaeopterix oder der Meerengel, ein haiartiger Urfisch, wurden am Blumenberg schon gefunden.

Diese Tiere lebten alle in einer Zeit, in der es die Alpen überhaupt noch nicht gab. Erst 100 Millionen Jahre danach falteten sich Großglockner, Zugspitze und Mont Blanc zum europäischen Hochgebirge empor. Der Steinbruch am Blumenberg gehörte ursprünglich der Firma Georg Bergér aus Eichstätt, die den Kalkstein dort industriell abbaute. Als der Abbau schließlich wirtschaftlich nicht mehr rentabel war, öffnete die Firma den Steinbruch für die touristische Nutzung durch Hobbypaläontologen. Mittlerweile ist der „Jurassic-Park“ Ostbayerns seit vielen Jahren in Besitz des Landkreises Eichstätt.

Die Altmühlalb, die sich zwischen Regensburg und Donauwörth hinzieht, ist eines der berühmtesten Gebiete der Erdgeschichte. Von hier stammt beispielsweise der erste Fund des versteinerten Archaeopterix, jenes Bindeglieds zwischen Flugsaurier und Vogel, das sich vor rund 160 bis 145 Millionen Jahren entwickelte. Im Gestein wurde auch eine Libelle gefunden, die mit einer Flügelspannweite von zehn Zentimetern das einzige bekannte Exemplar ihrer Art auf der ganzen Welt ist. Über 800 versteinerte Tier- und Pflanzenarten wurden aus den Plattenkalkschichten des Oberen Jura bisher geborgen.

In seiner Blütezeit erstreckte sich hier nämlich ein warmes, subtropisches Meer, begrenzt von Schwamm- und Korallenriffen. Und wo heute die Hügel der südlichen Frankenalb den Naturpark Altmühltal prägen, gab es eine riesenhafte, flache Lagune. Hier sanken die etwa bei Stürmen verendeten Kreaturen jener Zeit in den feinkörnigen Lagunenschlamm ein, wurden von Kalkschlamm sanft bedeckt und luftdicht abgeschlossen, versteinerten und wurden schließlich durch die in 500.000 Jahren darüber entstehenden, mächtigen Kalksteinschichten flach gepresst.

Wer sich nicht selbst mit Hammer und Meißel auf die Suche nach der Welt in Stein machen will, kann auch die bereits gehobenen Schätze der Urzeit bestaunen: Im Bergér-Museum in Harthof bei Eichstätt, im Eichstätter Jura-Museum und im Bürgermeister-Müller-Museum im westlich benachbarten Sollnhofen sind tausende dieser Versteinerungen zu sehen. Und das Jura-Museum bietet auch große Aquarien mit „lebendigen Fossilien“ wie Pfeilschwanz, Nautilus und Knochenhecht, um den Besuchern einen Eindruck vom Tierleben in der Jura-Zeit zu vermitteln.

Der Plattenkalk aus dem bayerischen Jurassic Park eignet sich aber nicht nur als Fundstätte für versteinertes Urgetier. Die Kalkplatten waren schon immer ein begehrtes Baumaterial. Der Petersdom in Wien und die Hagia Sophia in Istanbul in der Türkei sind teilweise damit gestaltet. Und noch eine Besonderheit bietet der Kalkstein aus der Altmühl-Alb: Da dieser Stein eine sehr gleichmäßige Körnung sowie eine einmalige Härte und Dichte aufweist, fand er Verwendung für das Druckverfahren der Lithographie, das Alois Senefelder 1798 erfand. Auch diese Erfindung ging um die ganze Welt.