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Montag, 6. Juni 2011
Emotionale Zeitreise hinter den „Eisernen Vorhang“
Neues Museum an der deutsch-tschechischen Grenze bei Waidhaus eröffnet: Auf mehr als 300 Quadratmetern gewährt das „Museum Eiserner Vorhang“ tiefe Einblicke in eine Zeit des Misstrauens und der Unmenschlichkeit in der Mitte Europas.
Rozvadov (ce-press - internet-zeitung) – Am Rande des beschaulichen 600-Seelen-Dörfchens Rozvadov inmitten der grünen Hügel des Oberpfälzer Waldes wurde Geschichte geschrieben: Hier durchschnitten am 23. Dezember 1989 Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein tschechischer Amtskollege Jiri Dienstbier den Stacheldraht an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze des „Eisernen Vorhangs“ und besiegelten damit das Ende einer mehr als vier Jahrzehnte währenden Teilung Europas. Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges erinnert jetzt ein neues Museum an jener historischen Stelle an das traurige Kapitel der europäischen Geschichte.
Foto: ce-press
Das Telefon, mit dem tschechoslowakische Staats- und Parteichef einst seine Befehle aus Moskau entgegen nahm, ein Stück des Stacheldrahts, der Europa einst teilte, das Modell einer Atombombe und die Schere, mit der Genscher und Dienstbier die Eiszeit in der Mitte Europas beendeten: Auf mehr als 300 Quadratmetern gewährt das „Museum Eiserner Vorhang“ tiefe Einblicke in eine Zeit des Misstrauens und der Unmenschlichkeit und in die überschwängliche Freude, als die Grenze fiel.
Das Museum in der tschechischen Grenzgemeinde erzählt in über 800 Fotos und mehr als 500 Exponaten die Geschichte einer Trennung im Herzen Europas und eines Systems, das für Gefühle keinen Platz hatte. „Der Eiserne Vorhang war eine schreckliche Barriere, die in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel war“, sagt Václav Vitovec, der Präsident der Stiftung „Eiserner Vorhang“, die das Museum geschaffen hat.
Unter den Ausstellungsstücken in dem Gebäude am ehemaligen Grenzübergang Waidhaus-Rozvadov befinden sich zahlreiche Originaldokumente aus dem Alltag an der Grenze, aber auch Uniformen, Waffen, Bücher und Filmsequenzen aus 40 Jahren Trennung. Auf Kommentare verzichtet das Museum dabei ganz bewusst: Die Besucher sollen sich ihr eigenes Bild machen können. Stattdessen gibt es einen Meditationsraum als Ort zum Nachdenken. Hauptanliegen der Stiftung: „Jeder Besucher sollte sich die Frage stellen: Wie können wir in Europa verhindern, dass sich Geschichte wiederholt“, sagt Stiftungspräsident Vitovec.
Foto: ce-press
Ursprünglich hatte Tschechien ein Museum zur Thematik des Eisernen Vorhangs in viel größerem Maßstab in Südböhmen geplant. Streitigkeiten über Grundstücksfragen und Uneinigkeit zwischen Initiatoren hatten das 100-Millionen-Kronen-Projekt (rund 4,2 Millionen Euro) aber zu Fall gebracht. Die Ausstellung in Rozvadov spannt jetzt – in kleinerem Rahmen – den Bogen von der Zeit des Ersten Weltkrieges bis hin zum Fall der Grenze 1989. Jedem Jahrzehnt ist ein eigener Bereich gewidmet.
Den Initiatoren geht es aber um mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Fotos und Schriftstücken: „Wir wollen zeigen, dass der Eiserne Vorhang nicht nur Stacheldraht war, sondern ein System, das für den einfachen Bürger damit begann, dass man nur ganz wenigen vertrauen konnte, und bis hin zu Überwachung und Bespitzelung reichte", sagt der Prager Fotograf Martin Linhart, der die Ausstellung mitgestaltet hat. Geöffnet ist das Museum „Eiserner Vorhang“ in Rozvadov donnerstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.