Donnerstag, 9. Juni 2011

Karriereoption Tschechien: Immer mehr Deutsche arbeiten im Nachbarland













3.000 Deutsche suchen ihr berufliches Glück in Tschechien – mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren / Tendenz: weiter steigend.


Regensburg/Prag (ce-press - internet-zeitung) – Tschechien wird als Karriereoption bei deutschen Arbeitnehmern immer beliebter. Und diejenigen Deutschen, die das „Wagnis Tschechien“ eingegangen sind, berichten oft von sehr positiven Erfahrungen. „Mit der Mentalität der Tschechen zurechtzukommen, ist für uns Deutsche zwar anfangs nicht ganz einfach, aber wer offen ist und das persönliche Gespräch nicht scheut, wird hier viele Freunde finden“, sagt Dietmar Krieger, der Werkleiter der tschechischen Suspa-Niederlassung im böhmischen Bor, etwa auf halbem Weg zwischen dem ostbayerischen Weiden und Pilsen gelegen. Der Deutsche lebt seit zehn Jahren in Pilsen und ist mit einer Tschechin verheiratet.

Inzwischen sind viele Deutsche Kriegers Beispiel gefolgt: Die Zahl der Beschäftigten mit deutschem Pass hat sich zwischen Eger, Pilsen, Prag und Ostrau in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, wie aktuelle, jetzt veröffentlichte Zahlen des tschechischen Arbeits- und Sozialministeriums belegen. Gut 3.000 Deutsche sind es, die zum Stichtag 31. Dezember 2010 dort in Lohn und Brot stehen – zwei Drittel davon in Dienstleistungsberufen, ein Drittel in der Industrie. Was die Deutschen nach Tschechien lockt? Das Lohngefälle hat sich in den vergangenen Jahren – besonders im Management – deutlich abgeflacht und viele tschechische Unternehmen locken Mitarbeiter aus dem Nachbarland mit Karrieresprüngen, auf die ein Mitarbeiter in der Bundesrepublik noch lange warten müsste.

Hochbezahlte Manager im Auslandseinsatz gehören ebenso zu den deutschen Beschäftigten in Tschechien, wie Bohemiens, die sich mit Sprachunterricht ein Auskommen in Prag, dem „Paris des Ostens“ sichern. Wer als Deutscher nach Tschechien geht, verfügt in der Regel über einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss. Als Schlüsselbranchen gelten nach aktuellen Erhebungen der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelkammer (DTIHK) die Finanzbranche, das Tourismus- und Hotelleriegewerbe sowie der traditionell starke Maschinen- und Automobilbau. Räumlich konzentrieren sich die deutschen Mitarbeiter besonders auf die bayerisch- und sächsisch-tschechischen Grenzregionen sowie die Hauptstadt Prag.

Was den Deutschen dabei bei den Auswahlprozessen besonders hilft: Deutschland ist heute mit Abstand Tschechiens wichtigster Handelspartner. Mitarbeiter, die den Kontakt halten zu deutschen Kunden und deutschen Muttergesellschaften, gelten deshalb als besonders wichtig für den Unternehmenserfolg. Auch die muttersprachlichen Deutschkenntnisse sind ein echtes Plus. Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer hat in einer Umfrage herausgefunden, dass für neun von zehn Mitgliedsunternehmen mit deutscher Beteiligung das Beherrschen der deutschen Sprache wichtig oder sogar sehr wichtig ist.

Der klassische deutsche Expatriate gehört in Tschechien zunehmend der Vergangenheit an. Während in den ersten Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs viele Unternehmen deutsche Mitarbeiter zu deutschen Konditionen als „Pioniere“ ins Nachbarland entsandten, bewerben sich heute Deutsche oft direkt auf tschechische Stellenangebote, weiß die DTIHK. Das liegt auch daran, dass in vielen Branchen – wie im Banken- oder Consultingsektor – oder in gehobenen Managementpositionen, für Spezialisten im Controlling oder im Vertrieb – oft Gehälter gezahlt werden, die nicht oder nur geringfügig unter den deutschen Löhnen liegen.

Der durchschnittliche Stundenlohn spiegelt diese Entwicklung kaum wieder. Dieser liegt in Tschechien nach Angaben des Statistikamts heute mit 196 Kronen oder umgerechnet acht Euro, allerdings auch etwa doppelt so hoch wie etwa zur Jahrtausendwende. Weit auseinander klafft die Gehaltsschere zwischen Deutschland und Tschechien heute vor allem noch in Sektoren wie im Gastgewerbe oder bei ungelernten Kräften. „In diesen Bereichen arbeiten kaum Deutsche im Nachbarland“, sagt sagte Dalibor Holý, Direktor für den Bereich Arbeitsmarktstatistik in der staatlichen tschechischen Statistikbehörde CSU.

In den nächsten Jahren erwarten tschechische Arbeitsmarktexperten einen kontinuierlichen, aber langsamen Anstieg deutscher Arbeitnehmer auf dem tschechischen Markt. „Denn das größte Hindernis für einen breiteren Zugang deutscher Arbeitnehmer zum tschechischen Arbeitsmarkt bleibt: die Sprachbarriere“, sagt Georg Beran, der Leiter des Referats Arbeitsmarkt beim Arbeitsamt Budweis, das für einen Großteil der tschechisch-bayerischen Grenzregion zuständig ist.