Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juli 2011
Wenn Schwarze Löcher miteinander verschmelzen, erzittert der Raum. Und das nicht nur im übertragenen Sinn. Denn von Orten, an denen massereiche Körper extrem stark beschleunigt werden, gehen wellenförmige Störungen der Raumzeit aus. Der Raum streckt sich dann periodisch und zieht sich wieder zusammen – entsprechend verändert sich der Abstand zweier Körper zueinander, wenn zwischen ihnen eine Gravitationswelle den Raum durchquert.
Messen lässt sich dieser Effekt auf unterschiedliche Weise. Den vielleicht faszinierendsten Ansatz verfolgen Wissenschaftler wie Michael Kramer und Norbert Wex vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Die Autoren von "Mit Pulsaren auf der Jagd nach Gravitationswellen" aus der Juli-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft nutzen schnell rotierende Neutronensterne als hochgenaue kosmische "Uhren". Wenn diese scheinbar falsch ticken, dies aber nach bestimmten Mustern tun, wissen die Forscher: Sie sind auf Gravitationswellen gestoßen.
So gewaltig die bei den gesuchten Ereignissen beteiligten Energien, so gering ist der messbare Effekt. Sind die verschmelzenden Schwarzen Löcher einige tausend Lichtjahre entfernt, sorgen die auf der Erde ankommenden Gravitationswellen nur für winzige Veränderungen. Eine Strecke von 100 Metern verkürzen beziehungsweise verlängern sie gerade einmal um den Durchmesser eines Eisenatomkerns. Doch selbst ein solch unscheinbares Signal, eher eine Kräuselung der Raumzeit als eine mächtige Welle, können moderne Detektoren noch nachweisen.
Bislang stehen die Forscher aber vor einem großen Problem: Die gesuchten Ereignisse finden einfach zu selten statt. Denn verschmelzende Schwarze Löcher sind Mangelware in der Milchstraße, und selbst die viel häufigeren Explosionen massereicher Sterne, so genannte Supernovae – eine weitere Quelle von Gravitationswellen –, kommen in unserer Galaxis lediglich einmal pro Jahrhundert vor. Es bedarf also auch viel Glücks, damit die Detektoren tatsächlich fündig werden. Bislang zumindest ist der direkte Nachweis von Gravitationswellen nicht geglückt.
Im gesamten Universum jedoch, über Milliarden von Jahre hinweg, hat eine Unzahl solcher Ereignisse stattgefunden, und noch immer durchqueren die von ihnen einst ausgesandten Gravitationswellen den Raum. Die Überlagerung all dieser Ereignisse zu einem "Hintergrund" von Signalen ist es, die Forscher wie Kramer und Wex vermessen wollen. Das Prinzip des Verfahrens: Zunächst einmal suchen die Astronomen nach so genannten Pulsaren, einer speziellen Art von Neutronensternen. Diese kosmischen Leuchttürme senden entlang ihrer Magnetachse einen gebündelten Strahl von Radiowellen aus. Weil sich die kompakten Sterne um ihre Rotationsachse drehen, bewegt sich auch ihr Radiostrahl durchs Universum. Sind Erde und Pulsar auf passende Weise zueinander ausgerichtet, registrieren die Astronomen dann ein pulsierendes Radiosignal.
Typischerweise beobachten die Forscher Millisekundenpulsare, solche Sterne also, die sich in wenigen Tausendstel Sekunden einmal um sich selbst drehen. Die zeitlichen Abstände zwischen den schnell eintreffenden Signalen sind dabei nahezu identisch, sodass diese Uhren ähnlich präzise ticken wie eine Atomuhr.
Genau dieser Effekt lässt sich nun ausnutzen. Denn der sich zusammenziehende und wieder dehnende Raum wirkt sich ganz charakteristisch auf die Laufzeit der Signale aus. Treffen Signale früher oder später ein als erwartet, deutet dies also – wenn alle anderen möglichen Einflussfaktoren wie etwa das Gravitationsfeld der Milchstraße berücksichtigt wurden – auf Gravitationswellen hin. Weil Kramer und Wex mit Kollegen aus aller Welt ein ganzes "Netzwerk" von Pulsaren, ein so genanntes Pulsar Timing Array untersuchen, können sie die Zuverlässigkeit ihrer Messungen sogar weiter erhöhen.
Noch sind auch sie nicht fündig geworden. Doch schon in den nächsten Jahren könnte es soweit sein. Neben elektromagnetischer Strahlung und kosmischen Teilchen werden es in Zukunft also auch Gravitationswellen sein, deren Analyse uns hilft, den Kosmos zu verstehen. Pulsarforscher sind auf diesem Gebiet mit Sicherheit ganz vorne mit dabei.