Archäologische Landesausstellung
im LVR-LandesMuseum Bonn zeigt spektakuläre Ausgrabungen der letzten fünf Jahre
in NRW
Erkelenz/Bonn.
Es ist einer der archäologischen Sensationsfunde der letzten Jahre: acht
künstlerisch sehr hochwertige Reliefdarstellungen von Götterbüsten aus
Schildpatt (Schildkrötenpanzer), die ein Kästchen aus dem 2. Jahrhundert n.
Chr. zierten. Gemeinsam mit weiteren, teils geheimnisvollen Grabbeigaben wurden
sie von einem archäologischen Team des Landschaftverbandes Rheinland (LVR) 2013
in einem Frauengrab auf dem Gelände eines römischen Landguts bei Erkelenz
(Erkelenz-Borschemich) freigelegt. Diese und weitere spektakuläre Funde aus den
letzten fünf Jahren archäologischer Ausgrabungen und Forschung in Nordrhein-Westfalen
sind derzeit in der Archäologischen Landesausstellung NRW nur noch bis zum 3.
April im LVR-LandesMuseum Bonn zu sehen.
Auf dem Gelände eines römischen
Landgutes stieß ein Team von Archäologen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege
im Rheinland auf ein einzigartiges und überaus prächtig ausgestattetes Priesterinnengrab eines ägyptischen
Kultes. Das Grab wird in das 2. Jahrhundert n. Chr. datiert.
Zusammen mit drei anderen Gräbern
war die Priesterin in einem hölzernen Grabbau beigesetzt. Zuvor wurde sie auf
einem Scheiterhaufen verbrannt. Ihre Kleidung bestand aus einem
golddurchtränkten Stoff sowie einem goldenen
Haarnetz. Zu der Bestattung gehörten ungewöhnlich kunstvoll gearbeitete
und kostbare Beigaben.
Dabei fand man nicht nur über 50 gut
erhaltene Keramik- und Glasgefäße, sondern auch eine bei Kulthandlungen
verwendete Trankopferschale aus dem Halbedelstein Chalzedon, Reste eines
einzigartigen Klappstuhls, eine Opferschale aus einem handtellergroßen
Bernstein und ein hölzernes Kästchen (30 x 30 cm) mit einer äußerst
qualitätvollen und präzisen Reliefdarstellungen aus Schildpattverkleidung, d.h.
aus Schildkrötenpanzer. Nach Aussagen der Fachleute handelt es sich hierbei um
ein Kunstobjekt, wie es bisher ohne direkten Vergleich in der römischen Welt
ist.
Auf diesem Kästchen, einer sogenannten Accera, sind neben sechs römischen
Göttern wie Mars, Juno, Apollo, Sol und Minerva noch zwei ägyptische Gottheiten
Serapis und Hermanubis vertreten. Ihr (Fruchtbarkeits- und Heilungs-)Kult ist
in den germanischen Provinzen nur sehr selten nachzuweisen und konzentriert
sich bislang auf größere Zentren wie Mainz und Köln.
Da das Grab der Priesterin mit der
zugehörigen Architektur einem Tempelgrab gleicht, ist es wahrscheinlich, dass
wohlhabende einheimische Anhänger des Kultes aus Köln und Umgebung zu der
geheimnisvollen Priesterin pilgerten, wie Gläubige im
Mittelalter zu den Heiligen. Im römischen Köln hat es sicher einen Serapis-Kult
gegeben, wie ein Inschriftenstein vom Gelände des Kölner Doms belegt. Das
Priesterinnengrab aus Erkelenz-Borschemisch steht im Kontext der angrenzenden
römischen Villa, die auch über einen größeren heiligen Bezirk verfügte, wie
einige Tempelanlagen und der Nachweis eines Baumkultes belegen.
Mit dem Bernstein, der wahrscheinlich
aus dem Baltikum stammt, Chalzedon und Schildpatt wohl aus dem indischen Raum,
den Nachweisen für einen ägyptischen Kult und dem goldenem Haarnetz, wie es
auch aus der Stadt Rom selbst belegt ist, versammeln sich im Grab Einflüsse aus
ganz unterschiedlichen Bereichen der römischen Welt und darüber hinaus. Solche
Ausformungen einer „globalisierten Gesellschaft“ erinnern uns an die heutigen
multikulturellen und weltweit vernetzten Verhältnisse.
Das
Priesterinnengrab aus Erkelenz-Borschemich stellt eines der großen Highlights
in der Archäologischen Landesausstellung Nordrhein-Westfalen dar. Es ist im
zweiten Obergeschoss des LVR-LandesMuseums Bonn ausgestellt.
Informationen
zur Grabung und Entdeckung:
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Durch den Bau einiger Entwässerungsbrunnen für den
Braunkohletagebau Garzweiler II ergaben sich im Jahr 2013 Ausgrabungsarbeiten
im Gebiet Erkelenz-Borschemich, wo sich dieses exklusive römische Landgut im
Tagebauvorfeld befindet. Die Grabung wurde unter der Leitung von Dr. Alfred
Schuler und vor Ort von den Technikern Denis und Josef Franzen durchgeführt.
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Publikationen: Alfred Schuler, Römisches Grabidyll mit
reichen Brandbestattungen bei Borschemich. Archäologie im Rheinland 2013
(2014), 141-144; umfangreiche wissenschaftliche Fundvorlage in den Bonner
Jahrbücher (zum Druck eingereicht).
Das
Priesterinnengrab: Eine Übersicht der Beigaben
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Leichenbrand eines Schweines und Tierknochen als
mögliche Speisebeigaben von Schwein, Rind, Huhn und Karpfenfisch.
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Ein mit Schildpatt beschlagenes Holzkästchen befand
sich an der nördlichen Längsseite.
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Drei gläserne Gefäße (Ungentarien)
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Über 50 hochwertige Keramikgefäße
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Bronzenes Waschservice, bestehend aus ovaler Schüssel
mit Deckel, darin ein Doppelhenkelkrug
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Ein eiserner Klappstuhl
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Schlichte Talglampe
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Kamm, Pyxis, Nadel aus Beinknochen
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3-4 mm kleine Flachhülsen aus Goldblech als Ummantelung
von Textilfäden gehören zu einem goldenen Haarnetz
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Chalzedon-Schale mit abgeflachter Abgusszone:
wahrscheinlich Trankopfergefäß (Libation) für Kulthandlungen. An der Unterseite
Einschnitzungen in floraler Form mit einem Motiv des Mysterienkultes: eine
Schlange am Lebensbaum.
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Handtellergroße flache Opferschale aus Bernstein
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Fingerring mit Kopfplatte und Stiftfassung für drehbar
gelagerten Schmuckstein (Sekundärbeigabe)
Informationen
zur Archäologischen Landesausstellung:
Die Archäologische Landesausstellung
NRW findet in einem Turnus von fünf Jahren statt. Im Ausstellungstitel REVOLUTION jungSTEINZEIT spiegelt sich
der thematische Schwerpunkt, die Zeit der ersten Ackerbauern und Viehzüchter in
Europa, wider. Daneben behandelt der zweite Ausstellungsteil im zweiten
Obergeschoss modernste Methoden der Archäologie anhand von herausragenden
Fallbeispielen von der Paläontologie bis in die Neuzeit.
Weitere
Standorte der Landesausstellung sind:
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2. Juli 2016 bis 26. Februar
2017: Lippisches Landesmuseum Detmold
3. Juni bis 22. Oktober 2017: LWL-Museum für
Archäologie, Westfälisches Landesmuseum Herne