Dienstag, 17. April 2012

Miteinander reden lernen

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung die außergerichtliche Konfliktlösung fördern. Mediatoren erhoffen sich davon einen Nachfrageschub für ihre Profession, berichtet die neue Ausgabe von Gehirn&Geist (5/2012).

Aus: Gehirn&Geist, Mai 2012

Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag berät derzeit ein neues "Gesetz zur Förderung der Mediation". Mit ihm will die Bundesregierung die außergerichtliche Konfliktlösung in privaten, öffentlichen oder wirtschaftlichen Streitfällen. So soll die Justiz entlastet und Millionen Euro für überflüssige Verfahren eingespart werden.

Immer mehr Rechtsanwälte bieten heute Mediation als Zusatzleistung an. Doch die Szene ist bislang noch sehr heterogen – sowohl, was die Qualifikationen, als auch, was die konkrete Ausübung betrifft. Neben einem verstärkten Schutz der Vertraulichkeit schreibt das neue Gesetz deshalb vor allem Mindestanforderungen für die Aus- und Fortbildung von Mediatoren fest. Sie soll einen Umfang von mindestens 120 Zeitstunden haben, in denen die Grundlagen des Mediationsverfahrens, theoretische und praktische Kenntnisse über Verhandlungs- und Kommunikationstechniken sowie juristische Hintergründe vermittelt werden. Auch Nachweise über Praxiserfahrung mit Mediationsfällen und Supervisionen sind Pflicht.

Die genaue Zahl der Mediatoren kennt niemand. Der Bundesverband Mediation (BM) – mit mehr als 1600 Mitgliedern der größte Verband in Deutschland – spricht von 20 000 Menschen, die bis heute nach seinen Standards ausgebildet wurden. Im öffentlichen Bewusstsein ist die Mediation allerdings noch nicht tief verankert. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach vom September 2011 haben zwei Drittel der Deutschen schon einmal von dieser Möglichkeit der Konfliktbeilegung gehört, 57 Prozent glauben an ihre Effektivität. Den Erfolg einer Mediation zu messen, gestaltet sich schwierig, da man ihn teils am Vermittlungsergebnis, teils an der Beziehung zwischen den Streitparteien festmacht.

Konstruktive Lösungen hätten vermutlich auch wirtschaftliche Vorteile, wie eine Studie von 2009 ergab. Nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft KPMG in Zusammenarbeit mit den Hochschulen in Regensburg und Bern könnte gut ein Viertel der so genannten Konfliktkosten in Unternehmen eingespart werden. Wie die Auswertung von Angaben aus 111 Industrieunternehmen zeigte, verursachen ungelöste Querelen etwa in Firmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern jährlich Einbußen von durchschnittlich mehr als 500 000 Euro. Dahinter stecken etwa Verluste durch Fehlzeiten, entgangene Aufträge oder hohe Mitarbeiterfluktuation. Mit dem 2008 gegründeten "Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft" gibt es inzwischen ein Forum, in dem sich Unternehmensvertreter über ihre Erfahrung austauschen.