Mittwoch, 28. November 2012

Her mit dem Salat

Sind Kopfsalat, Eisbergsalat, Romana und Rucola nur wertlose Zellulosebüschel? Abenteuerliche Theorien verunsichern die Verbraucher.

Regensburg (obx-medizindirekt) - Salat habe den gleichen Nährwert wie ein Papiertaschentuch mit einem Glas stillen Wassers, behauptet beispielsweise der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer in seinem neuen Buch "Esst endlich normal!". Mit dieser Behauptung hat Pollmer kräftigen Rückenwind von vielen Salatgegnern erhalten, aber auch stürmischen Gegenwind von gesundheitsbewussten Lesern. Denn der Ernährungsexperte Pollmer rät überhaupt dazu, nur noch zu essen, was man mag - und alles zu meiden, was Gesundheit verspricht.

Falsch essen - aus Tradition
Fest steht, dass die Wohlstandsgesellschaft in Deutschland nur deshalb so sehr unter Übergewicht und durch Überernährung bedingten Krankheiten leidet, weil sie über viele Jahre eben nie konsequent das gegessen hat, was vom gesundheitlichen Standpunkt aus empfehlenswert wäre, sondern immer nur das, was sie mag: wenig Salat, Obst und Gemüse, kaum Vollkornprodukte, aber viel Wurst, Fleisch, fettes Geflügel, Süßigkeiten, Schokolade, gezuckerte Limonaden und gehaltvolle Brotaufstriche. Aber jetzt wird den schuldbewussten Deutschen auch noch der Salat vermiest.

Ernährungsexperte Prof. Hans Hauner von der Universität München hat durchaus Recht, wenn er sagt: "Salat wird eher überbewertet im Vergleich zu anderem Gemüse". Im Vergleich sind Spinat, Grünkohl und Brokkoli, Möhren und Löwenzahn die reinsten Vitalstoffbomben. Aber Blattsalate sind auch nicht ohne. Und sie haben einen unschätzbaren Vorteil: Sie bringen ein großes Volumen bei sehr geringem Brennwert mit sich. Das füllt den Magen und macht eher satt. Außerdem enthalten sie neben Vitaminen und Mineralstoffen auch Ballaststoffe, die unverzichtbar für unsere Gesundheit sind.

Gesunde Kost
Sogar der Gehalt an Ballaststoffen ist für Udo Pollmer Anlass zum Spott: "Eine Currywurst enthält wahrscheinlich mehr Ballaststoffe als ein Kopfsalat", sagt er. Aber er irrt. 100 Gramm Currywurst enthalten 0,1 Gramm Ballaststoffe, dafür aber 23,5 Gramm Fett; Eisbergsalat enthält immerhin 1,8 Gramm Ballaststoffe, also 18-mal mehr. Und nur 0,3 Gramm Fett, also 78-mal weniger als die Currywurst.

Außerdem enthalten Salate so genannte sekundäre Pflanzenstoffe, die fremdartige Namen haben: Citrin, Rutin, Quercetin, Kaempferol, Myricetin, Apigenin, Lycopen oder Luteolin. Diese noch längst nicht gründlich untersuchten Stoffe können, soviel man heute schon weiß, Entzündungen hemmen, Allergien bekämpfen, die Kraft von Vitaminen vervielfachen und Ablagerungen in Arterien verhindern, die zum Herzinfarkt führen.

Hunger stillen ohne Kalorien
Was steckt noch Gutes im Salat? Jedenfalls kaum Vitamine, kaum Mineralstoffe. Das stimmt natürlich, rein rechnerisch. Denn 100 Gramm Eisbergsalat enthalten zum Beispiel nur 1,6 Gramm Kohlenhydrate, etwa 1 Gramm Eiweiß und 0,2 Gramm Fett. Das ist wenig, jedenfalls erfreulich wenig in den Augen von Menschen, die auf ihr Gewicht achten wollen. Denn der Wert des Salates besteht für die meisten Salatliebhaber ja gerade darin, dass er wenig Nährstoffe enthält: ganze 13,1 Kalorien bringen 100 Gramm Eisbergsalat.

Grünes Beruhigungsmittel
Der französische Naturheiler Maurice Messegué hat schon vor über 30 Jahren in seinem Buch "Die Natur hat immer recht" über den Kopfsalat geschrieben: "Der so geschätzte Kopfsalat verdient seinen Spitznamen "Kraut der Weisen". Warum? Vor allem auf Grund seiner beruhigenden Wirkung. Unsere "Nervenbündel" sollten jeden Abend Salat essen, dann hätten sie eine gute Nacht."

Lassen Sie sich also durch die Pollmer-Salatlüge nicht davon abhalten, frisches Grün auf den Tisch zu bringen. Achten Sie darauf, Blattsalate so frisch wie möglich zu verzehren, möglichst vor dem Zerkleinern zu waschen und sie auch mal zu mischen mit anderen Salaten - zum Beispiel Tomaten, Stangensellerie, Chinakohl, Gurken, Fenchel, Feldsalat, Paprika, Möhren, Radicchio oder Zucchini. Das bringt zusätzlich Farbe und Vitamine in die Salatschüssel. Pollmers Papiertaschentuch müssen Sie dann auch nicht mehr essen. Sie können sich nach genussreicher Mahlzeit damit den Mund abwischen.