Mittwoch, 21. November 2012

Sterne sind selten Einzelkinder

Aus: Sterne und Weltraum, Dezember 2012

Heidelberg. Ein Stern wird geboren, wenn ein Teil einer kosmischen Gaswolke unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen bricht. Junge Sterne setzen ihre Mutterwolke aber wortwörtlich unter Druck - und sorgen damit dafür, dass in seiner Nähe zügig weitere junge Sterne heranwachsen.

Kann sich ein Stern Nachbarsterne züchten? Ja – das ist sogar ein häufiges Phänomen. In der Dezemberausgabe von Sterne und Weltraum wird beschrieben, wie Wissenschaftler diesen Prozess anhand einer interstellaren Gaswolke mit dem interessanten Namen Elefantenrüsselnebel nachvollzogen haben. Solche Nebel bestehen zum größten Teil aus molekularem Wasserstoff und liefern damit die Bausubstanz für neue Sterne, die den Wasserstoff als Brennmaterial benötigen.

Damit ein Stern entsteht, muss ein diffuser Nebel allerdings erst auf die hohen Drücke komprimiert werden, wie sie auch im Inneren unserer Sonne herrschen – und dabei kann ein bereits vorhandener Stern helfen! Trifft nämlich die Strahlung eines jungen und hellen Sterns auf eine Gaswolke, so drängt sie diese zurück und kann damit den Anstoß zur nötigen Komprimierung liefern. Weitere Sterne entstehen daher bevorzugt in der Nähe eines hellen Artgenossen.

Im Elefantenrüsselnebel haben Astronomen um Konstantin Getman von der Pennsylvania State University nun Hinweise auf diesen Mechanismus der Sternentstehung gefunden. In diesem Nebel identifizierten sie einen besonders hellen und mehrere junge Sterne. Das Alter und die räumliche Verteilung der jungen Sterne lässt dabei darauf schließen, dass sie ihre Existenz dem älteren Artgenossen zu verdanken haben.

Zum Hintergrund: Das Modell der Sternentstehung hat eine einfache Grundidee: Jedes Gas hat einen Druck. Wenn dieser Druck nicht ausreicht, um eine kosmische Wolke aus Gas gegen ihre eigene Schwerkraft zu schützen, so stürzt sie in sich zusammen. Der Kollaps schreitet voran, bis im Inneren der Wolke Druck und Temperatur so hoch werden, dass die Kernfusion zündet. Diese erzeugt Licht und Wärme, die den Druck in der Wolke erhöhen, bis er wieder die anziehende Wirkung der Schwerkraft ausgleichen kann. Dies verhindert einen weiteren Kollaps der nun leuchtenden Wolke – und damit ist ein neuer Stern geboren.

Sternentstehungsgebiete können vor allem mit Teleskopen beobachtet werden, die für Infrarotlicht empfindlich sind. Auf den Bildern solcher Teleskope erscheinen Sternentstehungsgebiete als ausgedehnte Nebelstrukturen, in die Sterne eingebettet sind. Oft zeigen sich dabei interessante Kombination aus Sternpositionen und der Struktur der Wolke: Besonders leuchtkräftige Sterne entwickeln einen starken Sternwind, der aus Lichtteilchen, so genannten Photonen, aber auch aus materiellen Partikeln besteht. Wenn dieser Sternwind auf den Nebel trifft, so drängt er diesen zurück und formt damit scharf begrenzte säulenartige Strukturen, die aus dem sonst diffusen Nebel heraus ragen. In astronomischen Aufnahmen erkennt man daher oft einen hellen Stern in der Nähe einer solchen Säule.

Wissenschaftler haben nun im Elefantenrüsselnebel genau eine solche Kombination aus einem hellen Stern und einer Nebelsäule genauer ausgewertet. Der Elefantenrüsselnebel liegt im Sternbild Kepheus, das von Deutschland aus das ganze Jahr sichtbar ist.

Das Team um Konstantin Getman konnte bei seiner Forschungsarbeit einen Stern im Elefantenrüsselnebel identifizieren, der den ihn umgebenden Nebel zurückdrängt und damit Sternentstehung auslöst. Gezogen hat das Team seine Schlüsse aus der Morphologie der Nebelwolke und aus dem Alter verschiedener Sterne, das mit wachsendem Abstand immer weiter abnimmt. Sie vermuten daher, dass die sich ausbreitende Strahlung von HD 206267 den Nebel in seiner Nähe zurückdrängte und damit die Entstehung der jungen Sterne auslöste.