Dienstag, 5. Februar 2013

Gehörlosigkeit - Die "unsichtbare" Behinderung

Heidelberg. Im Kino war die elfjährige Lea Müller noch nie. Das Mädchen aus dem hessischen Lautertal wurde gehörlos geboren. Zwar hilft ihr moderne Technik dabei, Laute und Sprache zu verstehen – aber vieles in ihrem Alltag ist anders und anstrengender als bei ihren Altersgenossen. So hat sie oft Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen. Das sehen andere ihr jedoch nicht an und nehmen deshalb oft keine Rücksicht. Aus diesem Grund wird Gehörlosigkeit auch als "unsichtbare" Behinderung bezeichnet. "Hin und wieder wünsche ich mir eine sichtbare Behinderung", sagte das Mädchen dem Magazin "Spektrum neo", das in seiner neuesten Ausgabe mit dem Titel 'Der menschliche Körper' über Lea berichtet.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, neo Nr. 4, Der menschliche Körper

Mit fünf Jahren bekam Lea ein Cochlea-Implantat eingesetzt, das die Funktion des Innenohrs übernimmt. Doch die Technik reicht nicht immer, um Sprache zu verstehen. Zusätzlich ist sie darauf angewiesen, dass Menschen deutlich sprechen und sie dabei anschauen, damit sie von den Lippen lesen kann. Auch Mimik und Gestik sind nötig. In der Schule hilft ihr eine spezielle Anlage mit drei Mikrofonen, welche die Stimmen von Lehrer und Klassenkameraden kabellos zum Implantat übertragen.

Das alles reicht aber nicht immer, um Sprache zu verstehen. Zusätzlich ist Lea darauf angewiesen, dass Menschen deutlich sprechen und sie dabei anschauen, damit sie von den Lippen lesen kann. Auch Mimik und Gestik sind nötig. Leas eigentliche Muttersprache ist die Gebärdensprache – das gesprochene Deutsch muss sie mühsam pauken wie eine Fremdsprache.

Zum Hintergrund: Das Cochlea-Implantat ist eine elektronische Innenohrprothese. Während einer Operation unter Vollnarkose wird sie direkt in die Hörschnecke (Cochlea) eingesetzt und am Hinterkopf im Schädelknochen verankert. Zum außen sichtbaren Teil gehören ein Sprachprozessor und eine Sendespule. Über ein Mikrofon nimmt der Prozessor Geräusche auf und digitalisiert sie. Das heißt, er wandelt Schallwellen in elektrische Ströme um. Die Spule auf der Kopfhaut sendet dann das digitale Signal durch die Haut zum Implantat. Bei Menschen wie Lea übernimmt das Implantat so die Funktion des Innenohrs, indem es die umgewandelten Geräusche direkt an den Hörnerv weiterleitet.

Die Gebärdensprache besteht hauptsächlich aus Handzeichen, ist aber genauso komplex wie gesprochene Sprache. Die meisten Wörter der gesprochen Sprache können durch ein einzelnes Handzeichen ersetzt werden. Im Fingeralphabet existiert aber auch für jeden Buchstaben ein Extrazeichen. Allerdings gibt es nicht "die eine" Gebärdensprache, sondern jedes Land hat eine eigene. In Deutschland leben etwa 80 000 Gehörlose, weitere 16 Millionen Menschen sind schwerhörig.