Dienstag, 21. Mai 2013

Nanokapseln aus Öl und Wasser

Heidelberg. Miniemulsionen bieten eine ebenso einfache wie preiswerte Möglichkeit, winzige Kapseln herzustellen, die Medikamente an ihren Wirkungsort im Körper befördern und dort freisetzen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2013


In der Computertechnik wie in der Medizin geht der Trend zu immer kleineren Strukturen. Die benötigten Abmessungen liegen inzwischen im Bereich von Nanometern, also millionstel Millimetern. Solche winzigen Gebilde herzustellen, ist eine enorme Herausforderung. In der Computertechnik gelingt das mit der Röntgenlithographie. In der Medizin waren bisher gar keine Methoden bekannt, um beispielsweise unsichtbar kleine Kapseln zu erzeugen, die, gefüllt mit Zellgiften, im Blutstrom zu Krebsherden wandern und dort ihre tödliche Fracht freisetzen. Sie würden Tumore sehr viel schonender bekämpfen als die herkömmliche Chemotherapie mit ihren beträchtlichen Nebenwirkungen.

Dank der Arbeit von Katharina Landfester, Direktorin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, könnten solche Zauberkugeln demnächst Wirklichkeit werden. Zu ihrer Herstellung nutzt die Forscherin eine Materieform, mit der jeder Mensch von klein auf vertraut ist: Wir kennen sie in Form von Milch, Zahnpasta, Mayonnaise, Butter oder auch Dispersionsfarben. Es handelt sich um so genannte Emulsionen, bei denen feine Öltröpfchen gleichmäßig in Wasser verteilt sind – oder umgekehrt.

Statt Öl verwendet Landfesters Team Flüssigkeiten, die als Ausgangsmaterial für Kunststoffe dienen können. Aus ihnen und Wasser erzeugen die Forscher mit einem Verfahren, das dem Homogenisieren von Milch ähnelt, so genannte Miniemulsionen, deren Tröpfchen besonders klein und einheitlich sind. Anschließend wird der Kunststoffvorläufer – beispielsweise durch Erhitzen oder Bestrahlen – zum Polymerisieren und damit Aushärten gebracht. So entstehen winzige Plastikkügelchen.

Mit Tricks gelingt es, beliebige andere Substanzen darin einzuschließen oder auf ihrer Oberfläche anzubringen. Dabei kann es sich um ein Arzneimittel handeln – oder ein Molekül, das die Kapsel zielsicher zu einem Tumor dirigiert. Durch bestimmte Vorkehrungen lässt sich zudem erreichen, dass sich der Kunststoff im sauren Milieu einer Geschwulst auflöst.

Bisher befindet sich das Verfahren, über das Katharina Landfester im Juniheft von Spektrum der Wissenschaft berichtet, noch im Entwicklungsstadium. Bevor es in der Medizin zum Einsatz kommen kann, bedarf es noch etlicher weiterer Untersuchungen. Insbesondere muss seine Zuverlässigkeit und Sicherheit zunächst an Tieren erprobt werden.

Aber auch für andere Bereiche eignet sich die Methode – etwa um extrem feine Strukturen auf einem Spiegel anzubringen. Dazu deponiert man mit einer Metallverbindung gefüllte Nanokapseln vorsichtig auf einer Wasseroberfläche, auf der sie "schwimmen" und schließlich eine einlagige Schicht bilden. Diese senkt sich beim Ablassen des Wassers auf den vorher eingetauchten Spiegel ab. Als nächstes verbrennt man die Kunststoffschale der Nanokapseln mit einem Sauerstoffplasma. Zurück bleibt ein regelmäßiges Muster aus Ansammlungen von Metallverbindungen, die sich durch Erhitzen in winzige Metallkügelchen umwandeln lassen. Diese schützen beim anschließenden Ätzen des Spiegels den jeweils darunter befindlichen Bereich des Glases, wodurch es entspiegelt wird.