Donnerstag, 1. August 2013

Der Bayerische Wald: Gefährdetes Paradies für Europas "Pinselohren"


Am "grünen Dach Europas" haben Forscher die letzten Geheimnisse frei lebender Luchse untersucht - Verkehr, Krankheiten und Wilderer gefährden die Raubkatze.


Neuschönau (obx) - Ein schwarz gepunktetes Fell, scharfe Zähne und putzige Pinselohren - der Luchs ist die größte und wohl auch schönste Raubkatze Europas. Obwohl der Luchs für rund 200 Jahre fast vollständig ausgerottet war, streifen heute wieder einige der prächtigen Katzen durch Europas Wälder. Der Bayerische Wald beherbergt aktuell gemeinsam mit dem angrenzenden tschechischen Böhmerwald die größte wilde Luchspopulation in Deutschland. Jetzt haben Wissenschaftler des Nationalparks Bayerischer Wald in einem einzigartigen Forschungsprojekt den scheuen Großkatzen einige ihrer letzten Geheimnisse entlockt. Neben neuen Erkenntnissen gibt es auch Grund zur Sorge: Denn fast alle neugeborenen Jungtiere sterben vorzeitig - einige sogar durch Wilderer.

Obwohl jedes Jahr bis zu zehn Jungtiere die Luchspopulation im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet bereichern, wächst der Bestand der gefährdeten Großkatzen am "grünen Dach Europas" nicht an. Das ist eines der Ergebnisse einer grenzübergreifenden Untersuchung der Luchspopulation in den Nationalparks Bayerischer Wald und Sumava in Tschechien. Als Ursachen für das mysteriöse Verschwinden der Jungtiere haben die Luchs-Forscher besonders Krankheiten, Autounfälle oder illegale Tötungen durch Menschen ausgemacht.

Über vier Jahre haben Experten unter der Leitung von Dr. Marco Heurich von der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald Daten über das Verhalten der Luchse und ihrer Beutetiere gesammelt. Dazu haben die Wissenschaftler 16 Luchse im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet aufgespürt und zehn von ihnen mit Peilsendern ausgestattet. Auch 250 Rehe wurden als Beutetiere des Luchses mit Datensendern versehen. Neben den Peilsendern lieferten auch rund 60 "Fotofallen" im Bayerischen Wald sowie Funde von gerissenen Tieren und die Untersuchung von Luchs-Kot Auskunft über das Verhalten der Großkatzen.

Obwohl der Luchs keine natürlichen Feinde hat, kann sich die Population im grünen Herzen Europas nicht ausbreiten. Oft ist der Mensch das Problem: So sorgte erst im vergangenen Jahr die Vergiftung der Luchsin Tessa deutschlandweit für Aufregung. Die Täter bleiben bis heute im Dunkeln. Im Mai wurde eine trächtige Luchsin bei Bodenmais von Unbekannten erschossen.

Im 18. Jahrhundert wurden Luchse in Europa genau wie Bären und Wölfe von den Menschen als Bedrohung und Gefahr für die Nutztierhaltung wahrgenommen. Eine intensive Jagd hat Europas Großjäger schließlich nahezu ausgerottet. Vor mehr als 20 Jahren wurde der Luchs im tschechischen Böhmerwald wieder angesiedelt und hat sich seitdem auch nach Bayern und Österreich ausgebreitet.

Mit der genauen Erforschung der Lebensgewohnheiten der Luchse wollen die Wissenschaftler des Nationalparks Bayerischer Wald auch ein ungestörteres Nebeneinander von Mensch und Luchs ermöglichen.