Mittwoch, 7. August 2013

Regensburgs Prädikat als "Welterbe": Konjunktur-Motor oder Investitions-Bremse?

Sieben Jahre nach der "Krönung" der Donau-Metropole zum UNESCO-Weltkulturerbe wachsen die Konflikte um die "Welterbe-Verträglichkeit" großer Bau-Projekte in Regensburg.


Regensburg (obx) - Als das weltweit einzigartige Regensburger Altstadtensemble 2006 von der UNESCO zum "Weltkulturerbe" ernannt wurde, war der Jubel groß. Seither hat die fast 2000 Jahre alte Donau-Metropole kräftig von ihrem Kultur-Prädikat profitiert - ob über deutlich angeschwollene Touristenströme oder reichlich Fördermittel zum Erhalt der historischen Bausubstanz. Doch nach sieben Jahren zeigt sich auch: Der "Welterbe-Titel" bringt nicht nur Vorteile. Auch im Alltag der Regensburger kann er ganz schön nerven.

Ob beim geplanten Bau einer Donaubrücke oder beim Neubau des Museums der Bayerischen Geschichte - bei fast allen großen Bau-Projekten zur Weiterentwicklung des Standorts Regensburg sitzt jetzt auch das Welterbe-Komitee der UNESCO mit am Planungstisch und wacht über das Erscheinungsbild der Altstadt. Kritiker meinen: Nicht immer zum Vorteil von Regensburg.

Nach jahrelangen Bemühungen ging für die Stadt Regensburg vor fast genau sieben Jahren am 13. Juli 2006 ein Traum in Erfüllung: Seither steht die Donau-Metropole auf der illustren Liste der UNESCO-Welterbe-Stätten in einer Reihe mit Kulturdenkmälern wie der Chinesischen Mauer und den ägyptischen Pyramiden. Die Regensburger Altstadt ist mit ihren mehr als 1000 Baudenkmälern die am besten erhaltene mittelalterliche Großstadt in Deutschland.

Besonders der ohnehin schon florierende Tourismus hat durch den Welterbe-Status einen kräftigen Schub bekommen: So ist die Zahl der jährlichen Übernachtungen in Regensburg seit der Verleihung des Welterbe-Titels um fast 200.000 gestiegen. Zum Vergleich: in den sieben Jahren vor dem Welterbe-Status betrug der Anstieg "nur" rund 75.000 Übernachtungen.

Auch für Fördermittel ist das UNESCO-Prädikat ein echter "Türöffner": Knapp zehn Millionen Euro flossen bisher allein aus dem Bundesbauministerium im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms für Nationale UNESCO-Welterbe-Stätten in die Donau-Metropole. Das Geld geht vor allem in den Erhalt der historischen Bausubstanz, wie die laufende Sanierung der berühmten Steinernen Brücke.

Doch bei aller Euphorie über den "Welterbe-Boom": Im "verflixten siebten Jahr" nach dem "Titel-Gewinn" machen sich auch die Pflichten, die mit dem Welterbe-Status einhergehen, immer stärker bemerkbar. Schon mehrfach hat der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), der dem UNESCO-Welterbe-Komitee beratend zur Seite steht, geplante Bau-Projekte in der Regensburger Welterbe-Zone kritisiert.

Ein Beispiel: die aktuelle Diskussion um den Bau einer neuen Donau-Brücke als Ersatz für die seit August 2008 nur noch für Fußgänger und Fahrräder zugängliche historische Steinerne Brücke. Die Planungen der Stadt Regensburg für eine sogenannte "Westtrasse" über die Donau im Kernbereich der Welterbe-Zone hat der Denkmalpflegerat kurz und bündig abgelehnt. Ein Grund: Die Brücke erscheine als ein Fremdelement im historischen Altstadtensemble. Die Stadt fordert jetzt eine fundiertere Auseinandersetzung des Denkmalpflegerats mit der Brücken-Planung und besteht auf einem Vor-Ort-Termin mit der UNESCO-Welterbe-Kommission - Ausgang ungewiss.

Der Regensburger "Brücken-Streit" weckt Erinnerungen an die wochenlange "Welterbe-Posse" 2009 in Dresden: Der Stadt wurde der Welterbe-Status wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke schließlich wieder aberkannt.

Auch beim Architekten-Wettbewerb um den geplanten Bau des Museums der Bayerischen Geschichte am Regensburger Donau-Ufer spielte der "Welterbe-Faktor" eine Rolle. Der auf Platz zwei verwiesene futuristisch anmutende Entwurf des Grazer Architekten Titus Pernthaler hatte viele Betrachter im Vorfeld des Jury-Entscheids fasziniert. Nach der Entscheidung Ende April erklärte Pernthaler in einem offenen Brief, dass wohl auch der mögliche öffentliche Widerstand gegen seinen innovativen Bau inmitten des historischen Welterbes ein Grund für die Ablehnung gewesen sei.

Auch wenn die Bewahrung des Welterbes für kommende Generationen das Ziel sei, stehe die Lebensqualität der Bürger immer noch im Mittelpunkt, sagte der Präsident der deutschen UNESCO-Kommission Walter Hirche bei einer Regensburger Diskussionsveranstaltung im Mai. Viele Bürger sehen die Lebensqualität in der Altstadt jedoch zunehmend in Gefahr - für steigende Mieten und wachsenden Touristen-Rummel wird auch der Welterbe-Titel verantwortlich gemacht.

Allerdings trägt auch die Stadtverwaltung mit kleinkarierten Vorschriften dazu bei, den Regensburger Bürgern, Geschäftsleuten und Gastronomen den Spaß am Prädikat zu nehmen - die mit Sicherheit nicht in den Welterbe-Gremien erdacht wurden. Strikte Vorschriften für Bestuhlung von Freisitzen, strenge Vorgaben über das Aussehen von Sonnenschirmen und der Außenwerbung, der Sperrstunde am Abend und das kuriose Verbot von Heizpilzen in der Übergangszeit lassen so manchem nur noch den Kopf schütteln. Vor allem dann, wenn Auswüchse des Amtsschimmels dazu führen, dass - wie aktuell in der belebten Fußgängerzone praktiziert - Wirte Strafzettel des städtischen Ordnungsamts erhalten, weil Gäste ohne ihr Wissen mal einen Stuhl oder Tisch ein paar Zentimeter aus dem genehmigten Raster verschieben.