Kinder entwickeln sich unterschiedlich, sie haben verschiedene Vorlieben, Talente, mehr oder weniger Mut: Manche mögen es, Ball zu spielen und zu klettern, andere malen und basteln lieber. Doch manches Kind verhält sich auffallend ungelenk oder "tollpatschig" – und wird zur Ergotherapie geschickt. Für einen Kinderarzt ist es in einer kurzen Diagnostik oftmals nicht möglich, den Unterschied zwischen Übungsdefizit und Entwicklungsstörung festzustellen. Auch dann verordnet er eine Ergotherapie. Wenn es nur an der Übung liegt, beobachtet der Therapeut meist, wie das Kind beim Erlernen motorischer Fähigkeiten schnell Fortschritte macht. Etwa sechs Prozent aller Kinder aber leiden an einer Entwicklungsstörung, die einer längeren Therapie bedarf.

Was eine gute Ergotherapie ausmacht stellt Gehirn und Geist in seiner aktuellen Ausgabe dar. Am Anfang führt der Therapeut eine eigene Befunderhebung durch. Danach gilt es konkrete Ziele zu formulieren. Sie sollen dem Kind im Alltag helfen, ihm positive Bestätigung geben und gut überprüft werden können – statt "Verbesserung der Handmotorik" sollte es also besser heißen "Schleife binden". Die Wünsche und Bedürfnisse von Kind und Eltern sollten dabei im Zentrum stehen. Schließlich ist es notwendig, dass alle hinter der Behandlung stehen: Der Erfolg hängt entscheidend davon ab, ob Erzieher oder Lehrer mit einbezogen werden und die Eltern zu Hause mit dem Kind üben.

Die meisten Ergotherapeuten verwenden einen Methodenmix, sie wählen das Vorgehen individuell und passen es während der Behandlung laufend an. Aber wie gut hilft welche Methode? Dies zu bewerten, ist nicht leicht und die Datenlage insbesondere im deutschsprachigen Raum dazu könnte üppiger sein. Von Fingerspielen wie Perlenfädeln und Schwungübungen mit dem Stift auf Papier profitieren Kindern laut einer israelischen Studie von 2007 deutlich. Im Vergleich zur Kontrollgruppe schnitten die behandelten Kinder danach in allen gemessenen Bereichen besser ab, zum Beispiel bei der Auge-Hand-Koordination oder der Schreibgeschwindigkeit.

Am besten bewährt haben sich laut Studien die "handlungsorientierten" Ansätze, bei denen das Kind behutsam zum Meistern alltagsnaher Tätigkeiten motiviert wird. Der Therapeut erkenne, in welchem Teilschritt der Aktivität und warum das Kind scheitert. Darauf aufbauend stuft er die Anforderungen an das Kind ab – nicht zu schwer, damit es nicht frustriert wird, aber auch nicht zu leicht.

Viele Eltern scheinen mit der Ergotherapie zufrieden zu sein. Berichte von Kindern, die nach ein paar Einheiten richtiggehend aufblühen, füllen die einschlägigen Foren. Ein positives Bild zeichnet auch eine zwar nicht repräsentative, aber mit 8.000 Befragten immer relativ große Online-Erhebung von 2012 unter Eltern von autistischen Kindern. 39 Prozent nannten die Ergotherapie, auf Platz zwei lag mit 27 Prozent die Sprachtherapie.

Zum Hintergrund: Ergotherapie entstand ursprünglich aus der Arbeits- und Beschäftigungstherapie, um Menschen mit schweren Einschränkungen zu helfen – psychisch Kranken, Kriegsversehrten, Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung. Seit den 1980er Jahren wurde sie auch auf den Kinder erweitert, die zwar nicht schwer behindert sind, aber doch im Alltag so weit beeinträchtigt, dass sie darunter leiden. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig mit der Ergotherapie zu beginnen, damit sich negative Folgen wie mangelndes Selbstgefühl, Rückzug oder geringe Lebenszufriedenheit gar nicht erst entwickeln.