Regensburg (obx) - Gehörerkrankungen
entwickeln sich in Deutschland zur Volkskrankheit. 14 Millionen
Deutsche leiden bereits an Hörproblemen: Tinnitus (Ohrgeräusch),
Schwerhörigkeit, Geräuschüberempfindlichkeit, Druck im Ohr und
Schwindel. Ursache für die zunehmende Zahl von Gehörkranken ist die
wachsende "akustische Umweltverschmutzung", also ein in Summe ständig
zunehmender Lärmpegel, sagen Fachleute. "Und es ist vor allem die
fehlende Prävention", kritisiert jetzt der Regensburg Ohr-Experte, Dr.
Lutz Wilden, Initiator der Arbeitsgemeinschaft "Das gesunde Ohr"
(www.dasgesundeohr.de). Die Versorgung mit Hörgeräten sei ein
Millionengeschäft. Wirklich helfen würde überforderten Gehörorganen aber
etwas anderes: die Reduzierung des Alltagslärms, zum Beispiel durch die
Nutzung einfacher Ohrstöpsel.
15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und
19 Jahren hören schlecht. 70 von 1000 tragen bereits ein Hörgerät. "In
Deutschland muss mehr getan werden, die Lärmbelastung zu reduzieren,
damit nicht immer mehr Menschen von Schwerhörigkeit und Tinnitus
betroffen werden", sagt Dr. Wilden. Die zunehmende Verbreitung und immer
schnellere Verschreibung von Hörgeräten sei der falsche Weg zur Lösung
des Problems. "Wir können keinen Schmerz mit mehr Schmerz austreiben.
Wir können Diabetes nicht durch erhöhte Zuckerzufuhr heilen. Ebenso
wenig können wir ein durch Lautstärke überfordertes Hörorgan mit noch
mehr Lärmüberflutung etwa durch Schall verstärkende Hörgeräte heilen".
Wilden
setzt auf die Regenerationsfähigkeit im Innenohr mit seinen 25.000
Hörzellen in der Hörschnecke. "Wie alle Nervenzellen begleiten diese
Zellen uns durch das ganze Leben und besitzen deshalb eine hohe
Regenerationsfähigkeit, wenn ihnen im Alltag ausreichend Zeit und
Möglichkeit zur "Erholung" gegeben wird", sagt der Mediziner. Deshalb,
so die Arbeitsgemeinschaft "Das gesunde Ohr", sei Ruhe vor dem
permanenten Umgebungslärm der wirkungsvollste Schlüssel, diese Hörzellen
fit zu halten.
"Es ist angesichts der Milliardenumsätze der
Hörgeräteindustrie nicht erstaunlich, dass aus dieser Richtung so wenig
für die Aufklärung der Bevölkerung und zur aktiven Vermeidung vor
Gehörschäden getan wird", kritisiert Wilden. Zur vorbeugenden Vermeidung
von Hörproblemen und zum Schutz vor wachsendem Umweltlärm empfiehlt die
Arbeitsgemeinschaft "Das gesunde Uhr" ein ebenso einfaches wie
wirkungsvolles Mittel: So oft wie möglich passende Ohrstöpsel benutzen.
Das sei eine Wohltat für die Ohren - und oft auch für die Nerven.
Wilden
kämpft mit seinem Institut seit Jahren auch gegen die Behandlung von
Tinnitus mit künstlich erzeugten Gegengeräuschen. "Therapieansätze, die
zunächst versuchen, wieder den Gehörzustand des Tinnitus-Patienten zu
stabilisieren gibt es in der konventionellen Medizin kaum. Stattdessen
werden die Patienten, auch von den Kassen finanziert, mit allen
möglichen Hörgeräten versorgt und es wird versucht, das Gehirn zu
manipulieren, das angeblich Auslöser für das Tinnitus-Geräusch sein
soll. "Eine Theorie, die wissenschaftlich nicht bewiesen und nicht
haltbar ist", so Dr. Wilden.
Dass Lärmreduzierung im Alltag
wirkungsvoll helfen kann, sei indes für jeden Tinnitus-Patienten selbst
leicht nachzuprüfen. "Schützt ein Tinnituspatient über mehrere Tage,
Wochen und Monate sein überlastetes Hörorgan, indem er im Alltag wann
immer möglich Ohrstöpsel benutzt, reduzieren sich nach unseren
jahrelangen Erfahrungen die quälenden Symptome oder sie verschwinden
sogar ganz", sagt der Mediziner. Dr. Wilden: "Das gilt vor allem bei
Kindern in der Akutphase des Tinnitus. Selbst bei chronischem Tinnitus
kann die massive Abschirmung von Alltagslärm spürbare Hilfe bringen."