Donnerstag, 27. März 2014

Schüler als Facebookfreunde?

Aufklärung und Medienkompetenz statt Verbote: Podiumsdiskussion auf der didacta zu Datensicherheit, sozialen Medien und Schule / „Leitfaden Social Media“ vorgestellt
„Was dürfen Lehrer und Schüler im Hinblick auf Web 2.0?“ – unter dieser Fragestellung wurde am Donnerstag im Rahmen des Hochschultages 2014 auf der didacta in Stuttgart eine Podiumsdiskussion zum Thema „Soziale Medien und Schule“ geführt. Nach neuesten Erhebungen seien über 87 Prozent aller Internetnutzer in sozialen Medien aktiv, davon 77 Prozent täglich, berichtete Moderatorin Birgit Ufermann vom Deutschen Hochschulverband in ihrer Einführung. Unter Jugendlichen gebe es geschlechtsspezifisch einen geringen Unterschied, mit 79 Prozent bei den Mädchen gegenüber 75 Prozent bei den Jungen. „Die Nutzung steigert sich mit dem Alter“, erklärte Ufermann. „An der Spitze stehen die 18- bis 19-Jährigen mit einem Nutzeranteil von 87 Prozent.“
Thomas Floß vom Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands gab einen Einblick in die 2010 ins Leben gerufene BvD-Initiative „Datenschutz geht zur Schule“, die sich an Schüler, Lehrer und Eltern gleichermaßen richtet. Erklärtes Ziel ist der sinnvolle, möglichst sichere und verantwortungsbewusste Umgang mit dem Internet und modernen Kommunikationsmedien. „Wenn wir eine Schule besuchen, kennen uns die Schüler nicht, wohl aber wir sie, weil wir vorher im Internet recherchiert haben“, sagte Floß und umriss damit bereits grob die Problematik. „Wir reden über Big Data, Smartphones, Cybermobbing, Passwörter und natürlich Facebook. Mit Erfolg: Über 80 Prozent ändern danach ihr Nutzungsverhalten. Hier ist die Schule in der Pflicht. Das Thema muss in den Lehrplan!“  Soziale Medien seien längst zu einer „Kernkompetenz“ geworden. Eltern und Lehrern komme deshalb eine wichtige Vorbildfunktion zu. „Datenschutz ist nicht nur ein Grundrecht, sondern auch die Aufgabe jedes Einzelnen, Verantwortung für sich und Andere zu übernehmen. Wir brauchen intelligente Regeln. Verbote sind der falsche Weg.“
Gemeint war damit vor allem die Handreichung „Der Einsatz von Sozialen Netzwerken an Schulen“ des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Diese stellt fest: „Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die Verwendung von Sozialen Netzwerken für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten generell verboten.“ Thomas Eckert, Referent für IT und Datenschutz am Kultusministerium, verteidigte die Maßnahme. „Wir versuchen, das Leben an der Schule durch konkrete Ansätze leichter zu machen. Durch Pilotprojekte, Beratungen und Informationen auf unserer Homepage helfen wir, dieses komplizierte Thema besser zu verstehen.“ Im Unterricht müsse über Vorteile und Risiken sozialer Plattformen aufgeklärt werden. Aus „vielen Anregungen von außen, von den Lehrern“, ziehe man allerdings einen klaren Schluss: „Die Nutzung sozialer Netzwerke zu dienstlichen Zwecken ist unzulässig. Wir haben lediglich bestehendes Recht interpretiert und kommuniziert (…) und das Thema somit konkret geregelt.“

Wenig erfreut über solche Regelungen zeigte sich der stellvertretende Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums Ludwigsburg, Achim Salomon: „Natürlich ist es ein Problem, Schüler als ‚Freunde‘ anzunehmen. Mir als Lehrer aber hat es sehr geholfen, über Facebook mit den Schülern zu kommunizieren. Diese aktuelle Plattform fehlt mir und den Kollegen jetzt. Aus meiner Sicht schaffen soziale Medien keine Trennung zwischen Lehrer und Schüler – was aber innerhalb der Lehrerschaft durchaus differenziert gesehen wird.“ Die Vermittlung von Medienkompetenz an der Schule sei im Übrigen vorrangig eine Frage der Geldmittel. „Man erwartet, dass wir zu diesem Thema unterrichten. Aber wer schult uns? Die Lehrer in Baden-Württemberg haben ja noch nicht einmal eine dienstliche E-Mail!“
Rolf Busch, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, kritisierte die hohen Ansprüche gegenüber Schule und Lehrerschaft. „Was mich ärgert, ist, dass die Schule alle Probleme dieser Welt lösen soll – nicht nur hinsichtlich sozialer Medien, auch bei Ernährung, Fernsehkonsum und so weiter.“ Die Schule könne einen Beitrag leisten, aber man müsse ebenso die Eltern ins Boot holen und die Medienkompetenz an Schulen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen. Verbote hätten eine reine „Alibifunktion“, die einen Missbrauch nicht verhindern könne. „Man kann auch verbieten, auf Autobahnen schneller als 130 zu fahren. Soziale Medien sind eine Realität. Deshalb müssen die Lehrer zumindest die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen, um den Schülern zu zeigen, was dort passiert.“ Ein großes Problem sei es, dass man sich insgesamt viel zu wenig mit den Lehrern befasse. „Von den Lehrern wird aber ein entsprechendes Verhalten in den sozialen Medien erwartet.“
Wie dieses aussehen könnte, ist in dem von der österreichischen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst - Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer, dem Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer und dem VBE gemeinsam entwickelten „Leitfaden Social Media“ detailliert beschrieben, den Busch im Anschluss vorstellte. „Wie kann ich mich als Lehrperson auf öffentlich zugänglichen Social Media sicher – und, wenn ich möchte, von Schülern oder Eltern und lokaler Öffentlichkeit unbemerkt – bewegen?“, heißt es da in der Einleitung. „Und wie kann ich, wenn erwünscht, den richtigen Umgang mit meinen Schülerinnen und Schülern pflegen?“ Vorgestellt werden in dem Leitfaden auch die richtigen Profileinstellungen bei Facebook.

Weitere Informationen zur didacta gibt es unter:

http://www.didacta-stuttgart.de