Aufklärung
und Medienkompetenz statt Verbote: Podiumsdiskussion auf der didacta zu
Datensicherheit, sozialen Medien und Schule / „Leitfaden Social Media“
vorgestellt
„Was dürfen Lehrer und Schüler im Hinblick auf Web 2.0?“ – unter dieser
Fragestellung wurde am Donnerstag im Rahmen des Hochschultages 2014 auf
der didacta in Stuttgart eine Podiumsdiskussion zum Thema „Soziale
Medien und Schule“ geführt. Nach neuesten Erhebungen seien über 87
Prozent aller Internetnutzer in sozialen Medien aktiv, davon 77 Prozent
täglich, berichtete Moderatorin Birgit Ufermann vom Deutschen
Hochschulverband in ihrer Einführung. Unter Jugendlichen gebe es
geschlechtsspezifisch
einen geringen Unterschied, mit 79 Prozent bei den Mädchen gegenüber 75
Prozent bei den Jungen. „Die Nutzung steigert sich mit dem Alter“,
erklärte Ufermann. „An der Spitze stehen die 18- bis 19-Jährigen mit
einem Nutzeranteil von 87 Prozent.“
Thomas Floß vom Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands
gab einen Einblick in die 2010 ins Leben gerufene BvD-Initiative
„Datenschutz geht zur Schule“, die sich an Schüler, Lehrer und Eltern
gleichermaßen richtet. Erklärtes Ziel ist der sinnvolle, möglichst
sichere und verantwortungsbewusste Umgang mit dem Internet und modernen
Kommunikationsmedien. „Wenn wir eine Schule besuchen, kennen uns die
Schüler nicht, wohl aber wir sie, weil wir vorher im Internet
recherchiert haben“,
sagte Floß und umriss damit bereits grob die Problematik. „Wir reden
über Big Data, Smartphones, Cybermobbing, Passwörter und natürlich
Facebook. Mit Erfolg: Über 80 Prozent ändern danach ihr
Nutzungsverhalten. Hier ist die Schule in der Pflicht. Das Thema muss in
den Lehrplan!“ Soziale Medien seien längst zu einer „Kernkompetenz“
geworden. Eltern und Lehrern komme deshalb eine wichtige Vorbildfunktion
zu. „Datenschutz ist nicht nur ein Grundrecht, sondern auch die Aufgabe
jedes
Einzelnen, Verantwortung für sich und Andere zu übernehmen. Wir
brauchen intelligente Regeln. Verbote sind der falsche Weg.“
Gemeint war damit vor allem die Handreichung „Der Einsatz von Sozialen
Netzwerken an Schulen“ des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport
Baden-Württemberg. Diese stellt fest: „Aufgrund datenschutzrechtlicher
Bestimmungen ist die Verwendung von Sozialen Netzwerken für die
dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten generell verboten.“
Thomas Eckert, Referent für IT und Datenschutz am Kultusministerium,
verteidigte die Maßnahme. „Wir versuchen, das Leben an der Schule durch
konkrete
Ansätze leichter zu machen. Durch Pilotprojekte, Beratungen und
Informationen auf unserer Homepage helfen wir, dieses komplizierte Thema
besser zu verstehen.“ Im Unterricht müsse über Vorteile und Risiken
sozialer Plattformen aufgeklärt werden. Aus „vielen Anregungen von
außen, von den Lehrern“, ziehe man allerdings einen klaren Schluss: „Die
Nutzung sozialer Netzwerke zu dienstlichen Zwecken ist unzulässig. Wir
haben lediglich bestehendes Recht interpretiert und kommuniziert (…) und
das Thema
somit konkret geregelt.“
Wenig erfreut über solche Regelungen zeigte sich der stellvertretende Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums Ludwigsburg, Achim Salomon: „Natürlich ist es ein Problem, Schüler als ‚Freunde‘ anzunehmen. Mir als Lehrer aber hat es sehr geholfen, über Facebook mit den Schülern zu kommunizieren. Diese aktuelle Plattform fehlt mir und den Kollegen jetzt. Aus meiner Sicht schaffen soziale Medien keine Trennung zwischen Lehrer und Schüler – was aber innerhalb der Lehrerschaft durchaus differenziert gesehen wird.“ Die Vermittlung von Medienkompetenz an der Schule sei im Übrigen vorrangig eine Frage der Geldmittel. „Man erwartet, dass wir zu diesem Thema unterrichten. Aber wer schult uns? Die Lehrer in Baden-Württemberg haben ja noch nicht einmal eine dienstliche E-Mail!“
Rolf Busch, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung
und Erziehung, kritisierte die hohen Ansprüche gegenüber Schule und
Lehrerschaft. „Was mich ärgert, ist, dass die Schule alle Probleme
dieser Welt lösen soll – nicht nur hinsichtlich sozialer Medien, auch
bei Ernährung, Fernsehkonsum und so weiter.“ Die Schule könne einen
Beitrag leisten, aber man müsse ebenso die Eltern ins Boot holen und die
Medienkompetenz an Schulen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen.
Verbote
hätten eine reine „Alibifunktion“, die einen Missbrauch nicht
verhindern könne. „Man kann auch verbieten, auf Autobahnen schneller als
130 zu fahren. Soziale Medien sind eine Realität. Deshalb müssen die
Lehrer zumindest die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen, um den
Schülern zu zeigen, was dort passiert.“ Ein großes Problem sei es, dass
man sich insgesamt viel zu wenig mit den Lehrern befasse. „Von den
Lehrern wird aber ein entsprechendes Verhalten in den sozialen Medien
erwartet.“
Wie dieses aussehen könnte, ist in dem von der österreichischen
Gewerkschaft Öffentlicher Dienst - Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen
und Pflichtschullehrer, dem Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer
und dem VBE gemeinsam entwickelten „Leitfaden Social Media“ detailliert
beschrieben, den Busch im Anschluss vorstellte. „Wie kann ich mich als
Lehrperson auf öffentlich zugänglichen Social Media sicher – und, wenn
ich möchte, von Schülern oder Eltern und lokaler Öffentlichkeit
unbemerkt –
bewegen?“, heißt es da in der Einleitung. „Und wie kann ich, wenn
erwünscht, den richtigen Umgang mit meinen Schülerinnen und Schülern
pflegen?“ Vorgestellt werden in dem Leitfaden auch die richtigen
Profileinstellungen bei Facebook.
Weitere Informationen zur didacta gibt es unter:
http://www.didacta-stuttgart.de