Donnerstag, 27. März 2014

Mehr Leistung ohne Noten?

„Noten weg, Sitzenbleiben ade, Hausaufgaben abgeschafft: Lernen Schüler so besser?“ war der Titel einer Podiumsdiskussion auf der didacta in Stuttgart
 
Die Debatte um Sinn und Unsinn von Schulnoten ist alt, erregt aber seit Jahrzehnten immer wieder die Gemüter. Gut besucht war daher am Mittwoch eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion auf der didacta in Stuttgart, deren bewusst provokativer Titel lautete: „Noten weg, Sitzenbleiben ade, Hausaufgaben abgeschafft: Lernen Schüler so besser?“
 
Von einer Abschaffung der Schulnoten halte sie nichts, erklärte Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. „Das geht vielleicht im ersten oder zweiten Schuljahr, danach aber braucht man Noten. Die Frage ist nur, wie man sie gestaltet.“ Sie wehre sich gegen eine „zu frühe Selektion“, gebe es doch im internationalen Vergleich „eine inklusive Pädagogik, die höhere Spitzen und niedrigere Ausfallquoten“ hervorbringe.
 
Dem pflichtete der Vorsitzende des Bundeselternrates, Hans-Peter Vogeler, gerne bei: „Der Rohstoff unserer Gesellschaft ist das Leistungsvermögen der Kinder und Erwachsenen. Wir können es uns nicht leisten, die Leistungsentfaltung der Kinder durch Noten zu hemmen.“ Noten sagten über das tatsächliche Leistungsvermögen nichts aus, seien ungerecht und würden willkürlich vergeben. Vielmehr müsse man „alle Kinder dazu bringen, sich an ihrer Leistungsgrenze weiterzuentwickeln“, denn: „Wie viele werden vorschnell ausgesiebt, obwohl wir es uns gar nicht leisten können, sie auszusieben?“ Es gehe nicht um einen „Kuschelkurs“, sondern um eine „positive Rückmeldung“ – etwa in Form einer Empfehlung.
 
Anders sah dies Dr. Martin Frädrich, Leiter der Abteilung Aus- und Weiterbildung der IHK Region Stuttgart. „Noten sind unentbehrlich als Orientierungshilfe, haben aber an Wert verloren, weil ihre Verlässlichkeit abgenommen hat“, sagte er. In Fächern wie Mathematik hingegen gäben sie nach wie vor einen „wichtigen Hinweis“ für Unternehmen bei der Einstellung von Nachwuchskräften. Daher komme man auch künftig „nicht daran vorbei, Leistung zu messen“. Für den „Abnehmer“, also Industrie oder Hochschulen, müssten Transparenz und Vergleichbarkeit erhalten bleiben, was bei Beurteilungen in Textform schlicht nicht gegeben sei.
 
Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, kritisierte indes, dass Bildungsdiskussionen meist „als Grabenkämpfe geführt“ würden. Man frage nicht, ob etwas sinnvoll sei, sondern, ob man es abschaffen oder verbieten solle. Dies sei in Bildungsfragen der falsche Weg. Noten seien nicht die Eckpunkte schulischer Arbeit, wohl aber ein durchaus sinnvolles Feedback, das insbesondere für den weiteren Bildungsweg nach der Schule entscheidend sei. „Höchste Vorhersagekraft für einen erfolgreichen Studienabschluss hat die Abiturdurchschnittsnote, da gibt es eine klare Korrelation“, sagte Meidinger. Aufnahmetests an Hochschulen hätten sich in der Breite als wenig tauglich erwiesen, zumal es den meisten Einrichtungen an den notwendigen Kapazitäten mangele. Freilich dürfe man „die Kinder mit ihren Noten nicht alleine lassen“, sondern müsse sie mit Bemerkungen und Anregungen versehen. Besonders in der Unter- und Mittelstufe diene dies „der Ermunterung und Stärkung“.