„Noten
weg, Sitzenbleiben ade, Hausaufgaben abgeschafft: Lernen Schüler so
besser?“ war der Titel einer Podiumsdiskussion auf der didacta in
Stuttgart
Die Debatte um Sinn und Unsinn von Schulnoten ist alt, erregt aber seit
Jahrzehnten immer wieder die Gemüter. Gut besucht war daher am Mittwoch
eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion auf der didacta in
Stuttgart, deren bewusst provokativer Titel lautete: „Noten weg,
Sitzenbleiben ade, Hausaufgaben abgeschafft: Lernen Schüler so besser?“
Von einer Abschaffung der Schulnoten halte sie nichts, erklärte Prof.
Dr. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für
Sozialforschung. „Das geht vielleicht im ersten oder zweiten Schuljahr,
danach aber braucht man Noten. Die Frage ist nur, wie man sie
gestaltet.“ Sie wehre sich gegen eine „zu frühe Selektion“, gebe es doch
im internationalen Vergleich „eine inklusive Pädagogik, die höhere
Spitzen und niedrigere Ausfallquoten“ hervorbringe.
Dem pflichtete der Vorsitzende des Bundeselternrates, Hans-Peter
Vogeler, gerne bei: „Der Rohstoff unserer Gesellschaft ist das
Leistungsvermögen der Kinder und Erwachsenen. Wir können es uns nicht
leisten, die Leistungsentfaltung der Kinder durch Noten zu hemmen.“
Noten sagten über das tatsächliche Leistungsvermögen nichts aus, seien
ungerecht und würden willkürlich vergeben. Vielmehr müsse man „alle
Kinder dazu bringen, sich an ihrer Leistungsgrenze weiterzuentwickeln“,
denn: „Wie viele werden
vorschnell ausgesiebt, obwohl wir es uns gar nicht leisten können, sie
auszusieben?“ Es gehe nicht um einen „Kuschelkurs“, sondern um eine
„positive Rückmeldung“ – etwa in Form einer Empfehlung.
Anders sah dies Dr. Martin Frädrich, Leiter der Abteilung Aus- und
Weiterbildung der IHK Region Stuttgart. „Noten sind unentbehrlich als
Orientierungshilfe, haben aber an Wert verloren, weil ihre
Verlässlichkeit abgenommen hat“, sagte er. In Fächern wie Mathematik
hingegen gäben sie nach wie vor einen „wichtigen Hinweis“ für
Unternehmen bei der Einstellung von Nachwuchskräften. Daher komme man
auch künftig „nicht daran vorbei, Leistung zu messen“. Für den
„Abnehmer“, also Industrie oder
Hochschulen, müssten Transparenz und Vergleichbarkeit erhalten bleiben,
was bei Beurteilungen in Textform schlicht nicht gegeben sei.
Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes,
kritisierte indes, dass Bildungsdiskussionen meist „als Grabenkämpfe
geführt“ würden. Man frage nicht, ob etwas sinnvoll sei, sondern, ob man
es abschaffen oder verbieten solle. Dies sei in Bildungsfragen der
falsche Weg. Noten seien nicht die Eckpunkte schulischer Arbeit, wohl
aber ein durchaus sinnvolles Feedback, das insbesondere für den weiteren
Bildungsweg nach der Schule entscheidend sei. „Höchste Vorhersagekraft
für
einen erfolgreichen Studienabschluss hat die Abiturdurchschnittsnote,
da gibt es eine klare Korrelation“, sagte Meidinger. Aufnahmetests an
Hochschulen hätten sich in der Breite als wenig tauglich erwiesen, zumal
es den meisten Einrichtungen an den notwendigen Kapazitäten mangele.
Freilich dürfe man „die Kinder mit ihren Noten nicht alleine lassen“,
sondern müsse sie mit Bemerkungen und Anregungen versehen. Besonders in
der Unter- und Mittelstufe diene dies „der Ermunterung und Stärkung“.