Wiesbaden (internet-zeitung) – Der Vorfahre des Höhlenbären
(Ursus spelaeus) aus dem Eiszeitaltalter hat in der Wiesbadener Gegend gelebt.
Das geht aus dem Taschenbuch „Der Höhlenbär“ (Diplomica-Verlag, Hamburg) des
Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst hervor.>p>
Nach gegenwärtigem Wissensstand entwickelte
sich der Höhlenbär vielleicht bereits vor etwa 400.000 oder erst vor rund
125.000 Jahren aus dem Mosbacher Bären (Ursus deningeri), der auch Deninger-Bär
genannt wird. Dieser Bär wurde 1904 von dem Mainzer Paläontologen Wilhelm von
Reichenau (1847–1925) nach schätzungsweise 600.000 Jahre alten Funden aus den
Mosbach-Sanden bei Wiesbaden erstmals wissenschaftlich beschrieben. Mit dem
Artnamen deningeri erinnerte Reichenau an den in Mainz geborenen Geologen Karl
Julius Deninger (1878–1917).
Wilhelm von Reichenau stammte aus Dillenburg,
war Offizier, gab diesen Beruf aber wegen einer Kriegsverletzung auf. 1879
wurde er Präparator der Rheinischen Naturforschenden Gesellschaft in Mainz,
1888 Konservator an deren naturkundlichem Museum, 1907 Ehrendoktor der
Philosophie der Universität Gießen. Ab 1910 fungierte er als Direktor des neuen
Naturhistorischen Museums Mainz und war ab jenem Jahr auch Professor.
Die Mosbach-Sande sind nach dem Dorf Mosbach
zwischen Wiesbaden und Biebrich benannt, wo man schon 1845 in etwa zehn Meter
Tiefe erste eiszeitalterliche Großsäugerreste entdeckte. Dabei handelt es sich
um Flussablagerungen des eiszeitalterlichen Mains, der damals weiter nördlich
als heute in den Rhein mündete, des Rheins und von Taunusbächen.
1882 schlossen sich die Dörfer Mosbach und
Biebrich zur Stadt Mosbach-Biebrich zusammen. In der Folgezeit wuchs die
Bedeutung von Biebrich durch Schloss, Rheinverkehr, Industrie und Kaserne so
stark, dass man 1892 den Begriff Mosbach aus dem Stadtnamen strich. Am 1.
Oktober 1926 wurde Biebrich in Wiesbaden eingemeindet.
Beim Abbau der Mosbach-Sande kommen immer
wieder Überreste von Wirbeltieren zum Vorschein, die wohl zum größten Teil aus
dem nach einem englischen Fundort bezeichneten Cromer-Komplex (etwa 800.000 bis
480.000 Jahre) stammen. Das Klima im Cromer war nicht einheitlich. Einerseits
gab es milde, andererseits aber auch kühle Abschnitte.
Aus den Mosbach-Sanden hat Wilhelm von
Reichenau 1906 auch den Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis) erstmals
beschrieben. Diese Raubkatze aus der Zeit des Mosbacher Bären erreichte eine
Kopfrumpflänge bis zu 2,40 Metern. Zusammen mit dem maximal 1,20 Meter langen
Schwanz hatte dieser Löwe eine Gesamtlänge bis zu 3,60 Metern, womit er die
Durchschnittsgröße heutiger Löwen aus Afrika um rund einen halben Meter
übertraf. Nachzulesen ist dies in dem Taschenbuch „Höhlenlöwen“ (GRIN-Verlag,
München) des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst.
Das Naturhistorische Museum Mainz besitzt mit
mehr als 25.000 Funden aus den Mosbach-Sanden die größte Sammlung von Tieren
aus dem Eiszeitalter des Rhein-Main-Gebietes. Die rund 2000 Funde umfassende
Sammlung von Fossilien aus den Mosbach-Sanden im Museum Wiesbaden ist merklich
kleiner, kann sich aber dafür des älteren Bestandes rühmen.
Im Fundgut der Archäologischen Denkmalpflege
Hessen in Wiesbaden aus den Mosbach-Sanden sind Mosbacher Bären – nach
Beobachtungen des Paläontologen Thomas Keller – die
am häufigsten vertretenen Raubtiere. Keller
unternahm von 1991 bis zu seiner Pensionierung Forschungen in den
Mosbach-Sanden. Unter den im Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrten
Fossilien aus den Mosbach-Sanden überwiegen bei den Raubtieren dagegen die
Wölfe.