Dienstag, 19. Februar 2008

Hochbegabung: Kluge Köpfe richtig fördern

Geniale Überflieger, einsame Streber, trottelige Fachidioten – über Hochbegabte kursieren viele Klischees. In der Zeitschrift Gehirn&Geist räumen jetzt Experten mit diesen Vorurteilen auf und betonen: Auch IQ-Helden brauchen optimale Förderung, um ihr Potenzial auszuschöpfen.

Aus: Gehirn&Geist, März 2008

Hochbegabung – das klingt nach einer Garantie für ein erfülltes und erfolgreiches Leben. Die Wirklichkeit sieht jedoch oft anders aus: So können die Schulleistungen eines Kinds, dessen besondere Intelligenz nicht erkannt wurde, weit hinter dem Klassendurchschnitt zurückbleiben. Aus Unterforderung wird Frust, die Lust am Lernen geht verloren – ein Teufelskreis, der in Schulversagen und Verhaltensstörungen münden kann.

Der Pädagoge und Psychologe Christian Fischer von der Universität Münster plädiert in der neuen Ausgabe von Gehirn&Geist (3/2008) dafür, hochbegabte Kinder rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu fördern. Grundsätzlich ist dies auf zwei Wegen möglich: Zusätzliche Kurse, Fremdsprachen oder Projekte können zu einem vertieften Lernen anregen. Zum anderen mag auch ein vorzeitiges Einschulen oder das Überspringen einer Klassenstufe sinnvoll sein. Beides, so Fischer, sollte miteinander verknüpft und individuell auf das Kind abgestimmt werden.

Für eine möglichst frühe Förderung setzt sich auch der Marburger Entwicklungspsychologe Detlef Rost ein. Von speziellen Schulen für Hochbegabte hält er jedoch nichts. Außerdem müsse man endlich mit den vielen Klischees und Vorurteilen über das Phänomen Hochbegabung aufräumen, schreibt Rost in seinem Beitrag für Gehirn&Geist: So seien Hochbegabte keine vertrottelten Genies, die außerhalb ihrer Spezialgebiete im Leben nicht zurecht kämen. Und extreme IQ-Werte sind auch keine Garanten für außerordentliche berufliche Karrieren.

Doch was unterscheidet hochintelligente Köpfe von normalen Durchschnittsdenkern? Manche Untersuchungen deuten darauf hin, dass Hochbegabte nicht mehr, sondern im Gegenteil weniger Hirnmasse und Energie einsetzen. Die Bonner Psychologen Christian Hoppe und Jelena Stojanovic bezweifeln jedoch, dass Hochbegabung auf einer solchen erhöhten „neuronalen Effizienz“ beruht. Neue Studien an Hochintelligenten – wie auch hochbegabten Musikern – zeigen regional vergrößerte Hirnareale sowie eine erhöhte Hirnaktivität im Vergleich zu normal begabten Menschen, berichten die beiden Forscher in Gehirn&Geist. Geringere Aktivitäten könnten dann auftreten, wenn die hochbegabten Versuchspersonen mit Standardtests schlicht unterfordert sind. Passen die Hirnforscher den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben an das individuelle Leistungsniveau ihrer Probanden an, zeigen Hochbegabte durchaus eine stärkere Aktivierung entsprechender Hirnareale.

Diese Besonderheit ist jedoch nicht einfach nur in die Wiege gelegt. Vielmehr zeigen Studien, dass Hirnareale im Laufe des Lebens durch permanentes Training wachsen können. Damit sich ein genialer Geist entfalten kann, braucht es harte Arbeit und ein unterstützendes Umfeld. Andererseits – hier sind sich Hoppe, Stojanovic und Rost einig – bedürfen intellektuelle und künstlerische Erfolge nicht unbedingt eines überdurchschnittlich hohen IQs. Mit entsprechender Motivation können also auch Normalsterbliche Spitzenleistungen vollbringen.