Die Psychologen Theo Wehner und Stefan T. Güntert von der ETH Zürich empfehlen gegen den grassierenden Jobfrust: mehr freiwillig-gemeinnützige Tätigkeit!
Aus: Gehirn&Geist, Juli-August 2010
Viele Menschen sind laut Befragungen unzufrieden mit ihrem Job. Sie bemängeln besonders, dass ihnen die soziale Anerkennung fehle und die Berufstätigkeit keinen Sinn vermittle, erläutert die Arbeitspsychologen Theo Wehner und Stefan T. Güntert im Magazin Gehirn&Geist (Ausgabe 7-8/2010).
Wer dagegen freiwillig gemeinnützig arbeite, so die beiden Forscher, der berichte oft von einer starken Sinnhaftigkeit der Tätigkeit und identifiziere sich mehr damit. Soziale Anerkennung ist dabei weniger wichtig. Die große Bedeutung der Sinnvermittlung kommt auch in zwei internationalen Studien von 2009 zum Ausdruck. Im Kelly Global Workforce Index etwa wurden in 34 Ländern insgesamt 100 000 Personen zum "Wert ihrer Arbeit" befragt. Die Teilnehmer sollten unter anderem angeben, ob sie bereit wären, für eine anspruchsvollere und sinnvollere Aufgabe ihren Status in der Firma aufzugeben und sogar Gehaltskürzungen in Kauf zu nehmen. In Deutschland und der Schweiz bejahte dies mehr als jeder Zweite, in China sogar 63 Prozent der Befragten!
Das gleiche Bild zeigte sich in einer Stichprobe von 1003 Topmanagern: In Deutschland wären zwei von drei Führungskräften bereit, für sinnvollere oder anspruchsvollere Tätigkeiten auf Einkommen zu verzichten, in der Schweiz sogar stattliche 84 Prozent. Sinnsuche ist also eine mächtige Antriebskraft – nur ist sie in der Erwerbsarbeit selten von Erfolg gekrönt.
Freiwillige gemeinnützige Arbeit trennt die Tätigkeit von der Existenzsicherung. Eine konsequente Weiterentwicklung dieses Prinzips biete das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, so Wehner und Güntert in ihrem Plädoyer in Gehirn&Geist. Danach solle allen Bürgern eines Gemeinwesens regelmäßig so viel Geld ausgezahlt werden, dass jeder Einzelne davon gerade leben könnte.
So entstünde ein Freiraum für viele Tätigkeiten: Erwerbsarbeit, gemeinnützige Tätigkeit, Kindererziehung und das Führen des Haushalts würden gleichberechtigt nebeneinander stehen; viele Menschen könnten sich auf ihre Interessengebiete konzentrieren. Ein Grundeinkommen schafft also Möglichkeiten – inwieweit diese genützt würden, könne freilich niemand vorhersagen.
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