Freitag, 25. Juni 2010

Schlechte Laune hat auch gute Seiten

In Gedächtnistests schneiden Miesepeter besser ab als Frohnaturen

Aus: Gehirn&Geist, Juli-August 2010

Übellaunige Zeitgenossen haben manchmal die Nase vorn: Wer schlecht drauf ist, merkt sich Informationen nämlich genauer als fröhliche Menschen. Gute Laune dagegen macht anfällig für Manipulationen. Das berichtet die Psychologin Anna Gielas, Gastforscherin an der Harvard University (USA), in der neuen Ausgabe des Magazins Gehirn&Geist (Ausgabe 7-8/2010).

Offenbar achten übellaunige Menschen aufmerksamer auf ihre Umwelt und verarbeiten Informationen tiefer, wie der Psychologe Joseph Forgas von der University of New South Wales in Sydney (Australien) herausfand. Er testete 2009 die Gedächtnisleistung von Menschen nach einem Einkauf: An welche der zehn Waren, die an der Kasse ausgelegt waren, erinnerten sie sich noch nach Verlassen des Ladens? Siehe da: Missmutige Probanden konnten im Durchschnitt rund doppelt so viele Gegenstände nennen wie gutgelaunte. Außerdem glaubten die fröhlichen Einkäufer sich häufiger an Waren zu erinnern, die gar nicht an der Kasse gestanden hatten.

Ähnlich Fehler provozierte Forgas auch in einem weiteren Experiment. Im Vorfeld stimmte er seine Probanden heiter oder traurig, indem er sie bat, sich an ein entsprechendes Ereignis aus ihrem Leben zu erinnern. Anschließend sollten die Teilnehmer Szenen schildern, die sie wenige Stunden oder Tage zuvor am Bildschirm in Forgas’ Labor betrachtet hatten – darunter Fotos eines Autounfalls oder einer Hochzeitsfeier.

Ein anschließend vorgelegter Fragebogen war mit Fehlinformationen etwa über Kleidungsstücke der beteiligten Personen gespickt. Wie die Auswertung der Anworten ergab, bauten heiter gestimmten Probanden mehr falsche Angaben in ihre Erinnerung ein. Und ausgerechnet jene, die am meisten von der Richtigkeit ihrer Aussagen überzeugt waren, lagen am ehesten daneben!

Gute Laune verleitet uns vermutlich dazu, Informationen weniger wachsam und umfassend zu verarbeiten, folgert Forgas. Positive Gefühle fördern deshalb die Neigung, Fehlinformationen zu übernehmen und als eigene Beobachtung abzuspeichern. Schlechte Stimmung beugt diesem Phänomen vor.

Über Gehirn&Geist:
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