Können uns unbewusste Botschaften manipulieren?
Aus: Spektrum der Wissenschaft, September 2010
Der Mythos ist nicht totzukriegen: Unterschwellige – also nicht bewusst wahrgenommene – Botschaften, die in der Werbung oder in Wahlkämpfen eingesetzt werden, sollen Menschen auch gegen ihren Willen beeinflussen. Dabei konnte keine wissenschaftliche Studie je irgendeine Wirkung auf das Kauf- oder Wählerverhalten nachweisen.
Aber ist es grundsätzlich nicht möglich, Menschen ohne ihr Wissen zu manipulieren? Oder gelingt es unter bestimmten Voraussetzungen doch? Der Psychologe Mathias Pessiglione hat mit seinem Team untersucht, ob unbewusste Reize Menschen dazu bringen können, sich mehr anzustrengen oder sich anders zu entscheiden. Er forscht am INSERM (Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale) in Paris. Seine Ergebnisse beschreibt er in der Septemberausgabe von "Spektrum der Wissenschaft".
In der ersten Versuchsreihe konnten die Testpersonen eine Belohnung erhalten, nämlich pro Spielrunde einen kleinen Geldbetrag. Zuerst sahen die Probanden jeweils ein Bild von einer Münze – aber nur unterschwellig, also für so kurze Zeit, dass sie es nicht bewusst wahrnahmen. Danach versuchten sie, einen möglichst großen Teil des vorher gezeigten Geldwerts zu gewinnen: Dazu sollten sie auf eine Klemme drücken, und zwar möglichst kräftig, denn davon hing die Gewinnhöhe ab. Wenn eine größere Münze gezeigt wurde, so strengten sich die Teilnehmer mehr an als bei der kleineren – sie waren stärker motiviert. Und das, obwohl sie das Bild gar nicht bewusst gesehen hatten: Offenbar gelangte die Information trotzdem ins Gehirn.
In der zweiten Versuchsserie wurde den Teilnehmern zunächst eines von zwei unbekannten Zeichen gezeigt, wiederum nur für sehr kurze Zeit. Eines der Zeichen bedeutete Gewinn in der folgenden Spielrunde, das andere Verlust. Jedes Mal konnten die Testpersonen entscheiden, ob sie in dieser Runde mitmachen wollten oder nicht – also ob sie das Risiko eingehen wollten, Geld zu gewinnen oder zu verlieren. Anfangs verloren sie genauso oft wie sie gewannen, doch schon nach ein paar Durchgängen sammelten sich bei ihnen die Geldstücke.
Die Teilnehmer spürten, wann sich das Mitmachen lohnte und wann nicht. Demnach kann das Gehirn auch bei unbekannten unterschwelligen Reizen lernen, ihnen eine Bedeutung zuzuweisen.
Also ist es unter bestimmten Umständen möglich, die Motivation von Menschen mit unterschwelligen Botschaften zu beeinflussen. Unbewusste Reize, die eine Belohnung versprechen, können uns zu mehr Anstrengung anspornen, oder auch dazu, ein Risiko auf uns zu nehmen – auch wenn wir uns dieses Verhalten selbst nicht erklären können.
Aber auch unterschwellige Reize können niemandem eine ungewollte Handlung aufzwingen, betont Pessiglione. Und für die Werbeindustrie wäre es wohl kaum sinnvoll, mit heimlichen Botschaften zu arbeiten – bewusst wahrgenommene Reize wirken viel stärker.