DNA-Analysen der Stoßzähne führen zu Wilderern in Ostafrika.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, September 2010
Obwohl der Handel mit Elfenbein seit 20 Jahren verboten ist, töten Wilderer derzeit mehr Elefanten denn je. Mittlerweile ist das organisierte Verbrechen in das profitable Geschäft eingestiegen; denn das Risiko, erwischt zu werden, bleibt gering, und die Liberalisierung des Welthandels macht das Verschieben großer Mengen von Schmuggelware zum Kinderspiel.
Erst wenn man weiß, wo Elefanten getötet werden, kann man ein Land, das Wilderern freie Hand lässt, unter Druck setzen. Um die Quelle einer Containerladung Elfenbein herauszufinden, verwendet Samuel K. Wasser DNA-Analysen; er ist Biologieprofessor an der University of Washington und engagierter Artenschützer. Seine Methode gleicht dem genetischen Fingerabdruck, mit dem man vor Gericht durch Blut- und Gewebespuren den Täter identifiziert. In diesem Fall ist das Beweismaterial Elfenbein, das mit Elefantenpopulationen in Afrika abgeglichen wird. In der Septemberausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet er – gemeinsam mit dem Interpol-Kriminalisten Bill Clark und der Genetikerin Cathy Laurie – über die Sisyphusarbeit gegen das Abschlachten afrikanischer Elefanten.
Gemeinsam untersuchten sie das Material aus drei Razzien, die 2006 stattgefunden hatten. Damals waren in Taiwan, Hongkong und Japan fast elf Tonnen geschmuggeltes Elfenbein konfisziert worden – mehr als ein Drittel der in jenem Rekordjahr überhaupt beschlagnahmten Menge.
Wasser und sein Team forderten Elfenbeinproben an, um DNA-Analysen durchzuführen. Die Ergebnisse wollten sie den Geberländern, Interpol und der Lusaka Agreement Task Force – einer Organisation afrikanischer Länder zur Bekämpfung der Wilderei – zur Verfügung stellen. Hongkong und Taiwan schickten bereitwillig Proben; die japanischen Behörden haben trotz mehrfacher Aufforderung bis heute nichts geliefert.
Die Forscher verglichen den genetischen Fingerabdruck einzelner Stoßzähne mit einer Karte der Elefanten-DNA aus ganz Afrika. Vor zehn Jahren hatten sie in mühsamer Arbeit begonnen, eine solche Karte zu erstellen – aus Proben von Elefantenkot, denn jedes Gramm Kot enthält die DNA von Millionen Darmschleimhautzellen. So ließ sich nachweisen, dass das meiste Elfenbein aus Tansania stammt, wo demnach auch in den großen Naturschutzgebieten skrupellos gewildert wird.
Doch statt die afrikanischen Naturschutzbehörden glaubhaft zu unterstützen, legalisieren die Industrieländer geschmuggeltes Elfenbein, indem sie immer wieder begrenzte Kontingente zum Verkauf freigeben. Afrikas Entwicklungsländer werden dadurch kriminellen Organisationen ausgeliefert, deren Macht auf der Nachfrage in reichen Ländern beruht. DNA-Analysen allein können das Abschlachten nicht beenden. Das Töten geht weiter: Am 9. März 2009 konfiszierten die vietnamesischen Behörden eine Schiffsladung von 6,2 Tonnen Elfenbein, das aus Tansania geschmuggelt worden war.
Nach Wassers Schätzung kamen allein im Jahr 2006 mehr als 38 000 afrikanische Elefanten wegen ihres Elfenbeins zu Tode – und seither wird nicht weniger, sondern eher mehr gewildert. Die Forscher warnen: Wenn der illegale Elfenbeinhandel nicht bald unter Kontrolle gebracht wird, geht Afrika ein Großteil seiner frei lebenden Elefanten für immer verloren. Das ist ein allzu hoher Preis für eine Ware, die vor allem die Eitelkeit befriedigt.