Entgrenzung über das eigene Wesen hinaus
75. Geburtstag am 11. Januar 2011 von Eva Hesse
11. Januar 1936 in Hamburg - 29. Mai 1970 in New York
Eva Hesse – ein Leben voller traumatischer Ereignisse. Dies könnte als Überschrift über dem kurzen Leben einer Hochbegabten stehen. Die deutsch-jüdische Künstlerin entkommt dem Naziregime. Private Schicksalsschläge prägen jedoch ihr Verhältnis zum Leben zutiefst und inspirieren sie zu einen künstlerischen Weltentwurf zwischen den Polen Chaos und Ordnung.
Kurz nach dem Judenprogrom 1938 in Deutschland findet sich Eva Hesse zweijährig mit ihrer 6-jährigen Schwester in einen Zug nach Holland wieder, ihre Eltern können wenig später ebenfalls entkommen. Gemeinsam gelangt die Familie vor Kriegsausbruch über England in die USA und siedelt sich in New York an. Fast alle Verwandten verlieren ihr Leben in KZs.
Evas Mutter wird schwer krank und ist wegen manischer Depressionen mehrmals im Sanatorium. Die Kinder werden getrennt. Sie erleben ein unstetes Leben bei verschiedenen Angehörigen. Die Eltern trennen sich.
Als Eva 10 Jahre alt ist, nimmt sich die Mutter das Leben. Das Mädchen ist viel allein und steht große Ängste aus. Den Vater beschwört sie mit Bitten um eine Fürsorge zu Sicherheit und Verlässlichkeit. »Mein Vater musste mir versichern, dass wir nie arm sein werden, nie beraubt werden, und dass er am nächsten Morgen noch für mich da sein werde.“ Eva fühlt jedoch keine Sicherheit in ihrem Leben. Der Vater heiratet erneut. Eva fühlt sich von der zweiten Ehefrau sehr schlecht behandelt und reagiert mit Hass.
Früh entscheidet sich Eva Hesse für eine künstlerische Ausbildung. Sie studiert im Anschluss an ein Stipendium Zeichnen und Malerei (Cooper Union, New York, und Yale School of Art and Architecture). Sie will »hinter die Dinge sehen«, denn »Künstlerin sein, heißt zu sehen, zu beobachten und zu erforschen.« Ihr künstlerisches Schaffen entwickelt sich rasch. Bis Mitte der 1960er Jahre arbeitet sie zeichnerisch und malerisch in den verschiedensten Techniken, experimentiert mit Formen, immer auf der Suche nach einem Standort zwischen den Gegenpolen Chaos und Ordnung, Zerstörung und Harmonie.
Für ihre Bekanntheit entscheidend wird ein Studienaufenthalt in Deutschland, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer Tom Doyle, auf Einladung eines Textilfabrikanten verbringt. Zunächst entstehen Konstruktionszeichnungen, die eine Mischung aus Technischem und Organischem darstellen. Daraus erschafft sie Reliefs und räumliche Gebilde, wobei von ihr neuartige Materialien wie Fiberglas und Latex verwendet werden. Die Ausstellung dieser Arbeiten im Kunstverein Düsseldorf wird zum ersten Schritt zu einer internationalen Anerkennung.
Nach der Rückkehr nach New York wendet sie sich ganz der Skulptur zu. Sie verwendet dabei ungewöhnliche, sich zersetzende Materialien: Naturkautschuk, Glasfaser, Polyester. Der blühenden US-amerikanischen Kunstwelt der späten 1960er Jahre gilt Eva Hesse als stärkste Begabung, als sie im Alter von nur 34 Jahren an einem Gehirntumor stirbt. Eva Hesse ist in Erinnerung geblieben als berührende Vertreterin von Prozesskunst und Arte Povera.
Eva Hesse zu ihrer künstlerischen Sehnsucht: „Es ist mein Hauptbestreben, über das hinauszugehen, was ich weiß und was ich wissen kann. Ich möchte meine Kunst ausdehnen auf etwas, das noch nicht existiert.“
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Original-FemBiografie zu Eva Hesse von Renate Rochner auf http://www.fembio.org.
Bearbeitet von Evelyn Thriene