Dienstag, 22. März 2011

Medizintechnik: Prothese gegen den Schwindel

Ist der Gleichgewichtssinn gestört, ist der Alltag nur noch schwer zu bewältigen. Innenohrimplantate können helfen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, April 2011

Patienten leiden unter einem starken Schwindelgefühl, Sehstörungen und Übelkeit, wenn der Gleichgewichtssinn versagt. Besonders in schweren Fällen wie der Menière-Krankheit gibt es bisher kaum Aussicht auf Linderung. Im April-Heft von "Spektrum der Wissenschaft" beschreibt Charles Della Santina von der Johns Hopkins School of Medicine (in Baltimore, USA) neuartige elektronische Implantate, die dabei helfen sollen, die Balance zurückzugewinnen.

Anders als Sehen oder Schmecken erscheint den meisten Menschen die Orientierung im Raum und das Gespür für Veränderungen der Körperlage nicht als eigenständiger Sinn. Dabei ist das sogenannte Vestibularorgan des Innenohrs ein komplexer Apparat, ohne den wir kaum geradeaus gehen könnten. Ein Teil dieses Organs misst vor allem Drehungen. Die setzen nämlich in den so genannten Bogengängen Lymphflüssigkeit in Bewegung und das lenkt die eigentliche Messfühler aus: winzige Härchen der Sinneszellen. Diese Zilien senden über den Gleichgewichtsnerv Signale an das Gehirn. Ein Reflex sorgt dann beispielswiese dafür, dass die Augen nachgeführt werden. So sind wir in der Lage, ein Objekt zu fixieren, obwohl sich der Kopf bewegt.

Krankheiten wie Meningitis, auch manche Antibiotika können das Vestibularorgan schädigen. Mitunter lassen sich die Beschwerden – Schwindel, Sehstörungen, Übelkeit, Einschränkungen im sozialen Leben – durch ein spezielles Training kompensieren. Für Patienten, bei denen beide Innenohren betroffen und die Schäden weit fortgeschritten sind, entwickeln Wissenschaftler wie Della Santina nun Prothesen.

Sie können auf Erfahrungen mit den Cochlea-Implantaten aufbauen, die sich bei defekter Hörschnecke bewährt haben. Die Forscher implantieren eine Elektronik und Elektroden, die den Gleichgewichtsnerv reizen. Als Ersatz für die zerstörten Zilien fungiert ein winziger Kreiselkompass, der die Drehbewegung registriert. Im Tierexperiment wurde das System bereits erfolgreich getestet. Die Forscher hoffen, den betroffenen Patienten in einigen Jahren dabei helfen zu können, in einen normalen Alltag zurückzukehren.