Neuartige, umweltfreundliche Aquakulturen könnten die wachsende Weltbevölkerung mit dringend benötigtem Protein versorgen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, April 2011
Schon heute stammt fast die Hälfte der verzehrten Meeresfrüchte aus Zuchtbetrieben. Doch besonders Fischfarmen haben bei Umweltschützern einen schlechten Ruf, weil Futterreste, Fäkalien und zugesetzte Medikamente Wasser und Meeresboden verschmutzen. Das muss aber nicht so sein, denn Aquakulturen lassen sich mit modernen Methoden nachhaltig bewirtschaften – so argumentiert die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Sarah Simpson aus Riverside in Kalifornien in der April-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft".
Für ihre Recherchen zu diesem Artikel besuchte Simpson auch ökologisch bewirtschaftete Fischfarmen im Pazifik. Deren Betreiber zeigten ihr viele Neuerungen, mit denen es gelingt, frühere Fehler von Aquakulturen zu unterlassen. Zum einen gilt es, nicht länger die von Küsten zu verschmutzen. Das gelingt unter anderem durch sorgsamere Fütterung, aber auch durch Verlegen von Gehegen ins tiefere Meer.
Ein andere Maßnahme: Nachhaltig wirtschaftende Farmer legen Wert darauf, bei der Zucht begehrter Speisefische für deren Futter nicht mehr wie bisher üblich Unmengen kleiner Fische zu verbrauchen. Denn moderne Fischzüchter streben eine ökologische Balance an: Zukünftig soll die Menge von verfüttertem Fisch der später geernteten Menge entsprechen. Bei der Zucht einiger Süßwasserfische gelingt das bereits, etwa beim Viktoriabarsch. Für die Meereskulturen wird heute unter anderem Soja ins Futter gemischt, aber zukünftig sollen Algen und Plankton einen größeren Futteranteil ausmachen.
Derzeit trägt Fisch erst 7 Prozent zur Proteinversorgung der Weltbevölkerung bei, andere Meeresfrüchte nicht mitgerechnet. Davon kommt etwa die Hälfe aus Züchtungen. Simpson führt mehrere überzeugende Argumente dafür an, dass es sich ökologisch und aus Umweltgesichtspunkten lohnt, diesen Anteil erheblich zu steigern. So hinterlässt eine umsichtige Fischzucht im Vergleich zur Fleischproduktion erheblich weniger Verschmutzung. Umweltschäden – die keine landwirtschaftliche Kultur völlig vermeiden kann – regeneriert die Natur im Meer leichter und um ein Mehrfaches rascher.
Aber auch der Vergleich mit dem Fischfang fällt in vieler Hinsicht günstig aus: In einer Aquakultur wachsen die Fische rascher, weil sie dort weniger Energie benötigen als freilebend im Meer. Somit verbrauchen sie weniger Futter. Nicht nur deswegen bieten sie einen Ausweg aus der teils schon besorgniserregenden Überfischung der Meere oder der Zerstörungen des Meeresbodens durch Schleppnetzfischerei. Vor allem entfällt bei Fischfarmen außerdem der enorm hohe Wasserverbrauch, den Umweltschützer der Fleischproduktion ankreiden: Denn fast die Hälfte ihres Wassers verwendet die Landwirtschaft allein für die Fleischtiere.
Die neuartigen Fischfarmen verlegen ihre Gehege gern ins offene Meer, am besten in Strömungen, wo Verschmutzungen sich schnell verdünnen. Praktischerweise können solche transportablen Anlagen stets an die günstigsten Stellen verfrachtet und weitgehend automatisch bewirtschaftet werden. Und am Schluss transportiert man die Fische in ihren Gehegen zu den Absatzmärkten.
Mit vielen solchen ausgeklügelten Verfahren gelingt es immer besser, die Fehler aus Anfangszeiten zu vermeiden, als etwa Schrimpszüchter Mangrovenwälder abholzten oder Lachsproduzenten die Fische in viel zu großer Enge und zu nah an den Küsten hielten. Angesichts der derzeitigen Wachstumsraten könnte schon 2050 über 60 Prozent unseres Proteinbedarfs aus solchen Aquakulturen stammen.