Drei Wirtschaftskammern in Bayern, Böhmen und Oberösterreich unterstützen ihre Unternehmen gegenseitig bei grenzüberschreitenden Investitionen. Dafür haben sie den EU-Binnenmarktpreis bekommen.
Brüssel (ce-press - internet-zeitung) – Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben seit langem einen gemeinsamen Markt: Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital sind im freien Fluss. So kann ein Unternehmen aus Bayern seine Produkte auch in Tschechien anbieten oder eine Niederlassung in Österreich aufmachen, um von dort den Markt des Nachbarlandes zu erobern – soweit die Theorie. Denn trotz einheitlicher EU-Richtlinien gibt es in der Praxis noch zahlreiche Fallstricke für Betriebe, die im europäischen Ausland aktiv werden wollen: Von Unterschieden im nationalen Recht über eine individuelle Verwaltungspraxis bis hin zu unverständlichen Formularen. Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz setzt sich gemeinsam mit der Südböhmischen Wirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer Oberösterreich seit fast 10 Jahren dafür ein, dass die Betriebe im Dreiländereck fit werden für den Binnenmarkt. Dafür ist das Projekt „Grenzoffensive“ jetzt mit dem Binnenmarktpreis der Europäischen Union ausgezeichnet worden.
Welche Papiere braucht ein tschechischer Arbeiter auf einer deutschen Baustelle, wenn die Zollkontrolle kommt? Das ist nur eine von vielen Fragen, die sich Unternehmen und Arbeitnehmern stellen kann, wenn sie im europäischen Nachbarland aktiv werden wollen. Konkrete Antworten, die das Wirtschaften in der europäischen Grenzregion erleichtern sollen, gibt seit mittlerweile fast zehn Jahren das Projekt „Grenzoffensive“, das 2002 von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz und der Wirtschaftskammer Oberösterreich ins Leben gerufen wurde. Seit 2005 ist auch die Südböhmische Wirtschaftskammer als Kooperationspartner dabei. Mit Seminaren und Leitfäden auf Deutsch und Tschechisch, sowie über die Internet-Plattform www.grenzoffensive.org versuchen die drei Kammern ihre Unternehmen gegenseitig bei Investitionen im Nachbarland zu unterstützen.
„Da ist ein gemeinsamer Geist entstanden“, sagt Ludwig Rechenmacher, der als Leiter der Abteilung Außenwirtschaft bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz für die „Grenzoffensive“ zuständig ist. Neben der Beratung der Unternehmen zu den bestehenden Regularien in den Nachbarländern setzt das Projekt vor allem auf die Vereinfachung vieler Kontrollverfahren. Dazu wurden in langjähriger Arbeit nicht nur die Praxis-Probleme der Unternehmen gesammelt, sondern auch enge und vertrauensvolle Kontakte zwischen den zuständigen Behörden im Dreiländereck aufgebaut. Der Vorteil: Unnötige Hindernisse und unverständliche Formulare werden aus dem Weg geräumt. „So etwas geht natürlich nur regional, da hat man die Möglichkeit, das Vertrauen aufzubauen“, sagt Rechenmacher. Mittlerweile kommen sogar Behörden auf die Kammern zu, um über die Verbesserung von Prüfverfahren zu diskutieren.
Rechenmacher geht davon aus, dass sich die „Grenzoffensive“ in drei bis fünf Jahren auch mit vermehrten Niederlassungen tschechischer Unternehmen in Ostbayern auszahlen wird. Grundsätzlich warnt er die Betriebe aber davor, allzu schnell eine Zweigstelle im Nachbarland zu gründen. Die Kosten für die Vorbereitungen und die nötige Expertise lägen im hohen fünfstelligen Bereich. Oft entwickle sich eine Niederlassung aus guten Lieferbeziehungen.
Für ihre vorbildliche Förderung des grenzüberschreitenden Wirtschaftens ist die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz nun gemeinsam mit der Südböhmischen Wirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer Oberösterreich mit dem 2009 ins Leben gerufenen Binnenmarktpreis der Europäischen Union ausgezeichnet worden. Obwohl die Förderung für die „Grenzoffensive“ bereits seit 2007 ausgelaufen ist, läuft das Projekt erfolgreich weiter. „Wir können gar nicht mehr aussteigen“, sagt Ludwig Rechenmacher.