Aus: Sterne und Weltraum, Juli 2011
Alle Vorgänge im Universum lassen sich mit Hilfe von vier fundamentalen Kräften beschreiben. Für drei von ihnen (Elektromagnetismus, schwache und starke Kernkraft) wissen wir bereits, dass die klassische Physik auf mikroskopisch kleinen Skalen durch die Quantenphysik ersetzt werden muss. Wie sieht es aber bei der vierten fundamentalen Kraft aus, der Gravitation? Muss auch hier die klassische Schwerkraft durch eine Quantengravitation ersetzt werden?
Vorgänge auf atomarer Ebene sind gequantelt, das heißt, Messgrößen wie zum Beispiel die Energie kommen nur in bestimmten kleinsten Portionen vor und tauchen nicht in beliebigen Werten auf. Diesen Befund zeigen auch die Experimente an Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf in der Schweiz. Sie gelten offenbar mindestens bis zu den kleinsten heute zugänglichen Skalen, die noch milliardenfach kleiner sind als Atome.
Die Quantentheorie beschreibt das Verhalten dieser winzig kleinen Teilchen und zeigt eine exzellente Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment. Für makroskopische Ereignisse, zum Beispiel das Befüllen eines Schwimmbeckens mit Wasser, spielen Quanteneffekte keine Rolle. Dennoch kennen wir gequantelte Größen auch im täglichen Leben: Laser senden wegen Quanteneffekten nur Licht einer bestimmten Wellenlänge aus. Wir nutzen sie beispielsweise als moderne Zeigestäbe und in CD-Spielern.
Die vierte fundamentale Kraft im Universum ist die Schwerkraft. Albert Einstein gelang es, für sie eine wunderbare Beschreibung zu erarbeiten, die allgemeine Relativitätstheorie. Bei ihr verschmelzen als Konsequenz Raum und Zeit zu einer Einheit – der Raumzeit. Die Schwerkraft wirkt im gesamten Universum und hält die Galaxien ebenso zusammen wie künstliche Satelliten in Umlaufbahnen um die Erde. So gut sich ihre Wirkung auf großen Maßstäben beschreiben lässt, so schwer ist es, ihr Verhalten auf mikroskopischen Skalen zu verstehen. Dies äußert sich beispielsweise bei Schwarzen Löchern, deren Materie zu einem Punkt, also Ausdehnung null, zusammenschnurren soll. Die Dichte wäre dort unendlich groß – eine sehr unbefriedigende Vorhersage.
Daher mühen sich Physiker schon jahrzehntelang um eine Erweiterung der allgemeinen Relativitätstheorie zu den kleinsten Skalen hin. Eine der Forderungen an die neue Theorie ist ihre Quantelung, die erst bei winzigen Abständen zutage treten soll. Mit einer in den letzten Jahren entwickelten Theorie, der Loop-Quantengravitation, gelingt dies offenbar sehr gut. Die Autorin des gleichnamigen Beitrags im Juli-Heft von Sterne und Weltraum, Prof. Dr. Kristina Giesel von der Louisiana State University in Baton Rouge, USA, schildert die Schritte, die zu dieser Theorie führten, und Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben.
So darf beispielsweise die Struktur der Raumzeit unseres Universums nicht mehr als ein Kontinuum betrachtet werden, in dem beliebige Abstände vorkommen. Vielmehr sind darin vorkommende Längen, ja sogar die Zeit selber, gequantelt. Dies macht sich allerdings erst bei Skalen bemerkbar, die um so vieles kleiner sind als ein Atom wie ein Mensch im Vergleich zum ganzen Universum.