Hannover (apothekerkammer-niedersachsen) – Eine Mutter steht mit ihren vier Monate alten Zwillingen in der Apotheke. Gleich ist sie an der Reihe. Den Abholschein schon griffbereit, wartet sie geduldig auf ein Präparat, das nicht industriell produziert werden kann. Seit der zu frühen Geburt leidet eine ihrer Töchter unter Atemaussetzern. Sie benötigt Koffeintropfen, die individuell vom Apotheker für den Säugling hergestellt werden. Eigene Rezepturen herstellen - das anspruchsvolle Handwerk des Apothekers ist auch in unserer hochtechnisierten Welt unverzichtbar.
Spezial- und Individualrezepturen werden auf den persönlichen Bedarf des Patienten abgestimmt und sind feste Bestandteile im Alltag des Apothekers. Besonders anspruchsvoll ist die Versorgung von Kindern und Säuglingen. Denn oft stehen nur Medikamente für Erwachsene zur Verfügung: Rezepturen in kindgerechter Dosierung werden vom Apotheker in Kapselform, als Tropfen oder Saft angefertigt. Dr. Gabriele Röscheisen-Pfeifer, Apothekerin aus Oldenburg, kennt das aus eigener Erfahrung: „Die Mutter der Zwillinge erhielt vom Krankenhausarzt ein Rezept für Koffeintropfen, die die Atmung stabilisieren sollten. Die Tropfen haben wir in einer niedrigen Dosierung hergestellt und zusätzlich auf den guten Geschmack geachtet. Das kommt bei der kleinen Patientin sehr gut an.“ Und die Mutter ergänzt: „Auch ein kleiner Blutschwamm an der Lippe wird mit speziell hergestellten, niedrig dosierten Betablocker-Kapseln behandelt. Es ist ein gutes Gefühl, dass die Mitarbeiter der Apotheke unser Kind kennen und auch einen Blick auf die Medikamente haben.“
Zusätzlich zu diesen pharmazeutischen Tätigkeiten unterstützt der Apotheker seine Patienten bei kleineren, alltäglichen Problemstellungen. Ob Gluten-Unverträglichkeit, Laktoseintoleranz oder Hautallergien: Viele Patienten reagieren sensibel auf bestimmte Inhaltsstoffe und können sich vom Apotheker ganz individuell beraten lassen. Der Apotheker kann Cremes mit gut verträglichen Inhaltsstoffen für die Hautpflege empfehlen oder alternative Rezepturen für Allergiker herstellen.
Eine Herausforderung für viele Patienten ist die Einnahme von Medikamenten. Der Apotheker findet auch hier eine passende Lösung: streng schmeckendes Algenpulver füllt der Apotheker in Kapseln, bittere Koffeintropfen vermischt er mit süßem Kirschsirup zu einem kindertauglichen Saft. Haben Patienten Schwierigkeiten beim Schlucken von Tabletten, kann der Apotheker eine Rezeptur in geeigneter Darreichungsform anbieten.
In den Individualrezepturen zeigt sich die traditionelle pharmazeutische Handwerkskunst, an deren Qualität höchste Anforderungen gestellt werden. Für jedes händisch gefertigte Präparat legt der Apotheker ein Herstellungsprotokoll an, in dem er Chargen von verarbeiteten Ausgangsstoffen und Fertigarzneimitteln sowie die verwendeten Mengen dokumentiert. Der Herstellungsprozess ist von genauen, bis ins Detail standardisierten Kontrollen durchzogen.
Ist der Patient auf ein individuelles Rezepturarzneimittel angewiesen und muss dieses beispielsweise auf Reisen herstellen lassen, sollte er dem Vertretungsarzt für die korrekte Rezeptausstellung unbedingt das Originalgefäß mit Etikett vorlegen. Auf den Etiketten befinden sich Informationen über die Wirk- und Hilfsstoffe sowie zur Darreichungsform und der Aufbrauchfrist. In der Regel kann jede Apotheke Individualrezepturen herstellen. Es gibt aber auch aufwändige Rezepturen, die besondere Geräte oder Räumlichkeiten wie ein Steril-Labor erfordern.
Individuelle Rezepturen für Erwachsene und Kinder anzufertigen, gehört zu den Kernkompetenzen des Apothekers. Doch nicht nur die präzise Abstimmung der Inhaltsstoffe und die persönliche Versorgung sind für die Mutter der Zwillinge wichtig: „Ich weiß erst jetzt zu schätzen, wie gut es ist, eine Stammapotheke zu haben.“
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.000 Mitglieder an. Der Apotheker ist ein fachlich unabhängiger Heilberufler. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apothekern die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwirbt der Studierende Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie und Toxikologie. Nach drei Staatsexamina erhält er eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung kann er eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist für Gesundheit und Prävention berät der Apotheker seriös und unabhängig. Er begleitet den Patienten fachlich, unterstützt ihn menschlich und hilft ihm so, seine Therapie im Alltag umzusetzen.