Waldmünchen / Bad Tölz (internet-zeitung) - Christl-Marie Schultes (1904-1976,
geborene Maria Rosalia Schultes, war die erste bayerische Pilotin. Wegen ihrer
Herkunft aus einer Försterfamilie wurde sie „Förster-Christl“ genannt. In ihrem
abenteuerlichen Fliegerleben gab es Höhen und Tiefen.
Maria Rosalia Schultes kam am 6. November 1904 als eines von
vier Kindern aus der zweiten Ehe des bayerischen Forstverwalters Otmar Schultes
zu Friedensfels mit Theresia Schultes, geborene Koller, in Geigant bei
Waldmünchen (Oberpfalz) zur Welt. Ab 1907 lebte die Familie Schultes in
Oberenzenau bei Bad Heilbrunn (Oberbayern), wohin der Vater versetzt worden
war
1928 lernte die abenteuerlustige Christl-Marie ohne Wissen
ihrer Eltern in Berlin-Staaken das Fliegen. Nach dem so genannten A-Schein
erwarb sie bald darauf den Kunstflug-Schein. Mit einer von ihrer Flugschule
geliehenen Maschine trat sie bei Flugtagen in der Provinz auf und wurde als
erste bayerische Fliegerin umjubelt.
Im März 1929 kaufte Christl-Marie mit finanzieller
Unterstützung der Stadt Tölz und ihrer Eltern in England ein eigenes Flugzeug,
mit dem sie für Bad Tölz und seinen Bäderbetrieb Reklame fliegen sollte. Diese
Maschine wurde am 4. August 1929 auf den Namen „Bad Tölz“ getauft. Damit trat
sie neben den deutschen Fliegeridolen Ernst Udet und Gerhard Fieseler im In-
und Ausland auf. Allein beim Flugtag in München bestaunten schätzungsweise
50.000 bis 150.000 Zuschauer/innen ihre Flugkünste.
Im Sommer 1930 wurde das Flugzeug „Bad Tölz“ während eines
Fluges über dem Fichtelgebirge von einer Gewitterbö zu Boden gerissen und
zerschellte. Christl-Marie und ihr Begleiter blieben unverletzt. Bald danach
erhielt sie ein zweites Flugzeug namens „Bad Tölz“.
Der Absturz von Christl-Marie im Fichtelgebirge verhinderte
ihre geplante Teilnahme am Europa-Flug im Sommer 1930, bei dem sie die einzige
deutsche Pilotin gewesen wäre. Nicht zustande kam auch ein für November 1930
geplanter Fernflug nach Japan.
Im Frühjahr 1931 wollte Christl-Marie zusammen mit dem
Jungpiloten Gustav Sackmann aus Cannstatt den kühnen Plan eines Fluges um die
Welt verwirklichen. Doch die Beiden stürzten am 21. Mai 1931 während eines
Unwetters bei einer versuchten Notlandung in Schaibing bei Passau (Niederbayern)
ab und wurden schwer verletzt. Bei diesem Unglück verlor Christl-Marie ihr
linkes Bein und musste fortan eine Beinprothese tragen.
Ab April 1933 gab Christl-Marie eine eigene Zeitschrift
namens „Deutsche Flugillustierte“ heraus. Weil sie nicht der „NSDAP“ beitrat
und einen jüdischen Verlobten hatte, wurde sie von den Nazis enteignet. In der
Folgezeit wurde sie von der „Gestapo“ überwacht
Nach dem Tod des deutschen Staatspräsidenten Paul von
Hindenburg, der ihr Gönner gewesen war, emigrierte Christl-Marie im August 1934
in die Schweiz, 1936 zunächst nach Spanien, wo bald der Bürgerkrieg ausbrach,
dann nach Portugal und schließlich nach Frankreich.
In Frankreich half Christl-Marie armen Kindern und
Verfolgten, bis man sie verhaftete und ins Internierungslager Brens brachte.
Nach 14 Monaten in diesem Lager wurde sie 1942 nach Deutschland deportiert, kam
ins KZ Ravensbrück, wurde aber dank der Hilfe eines offenbar in sie verliebten
SS-Mannes wieder freigelassen. Ihre Arbeit in der Flugzeugindustrie verlor sie
im März 1943 wegen „politischer Unzuverlässigkeit“.
Im Frühjahr 1944 kritisierte Christl-Marie vor dem Postamt
in Bad Tölz und anschließend bei der Fahrt von Bad Tölz nach Bad Heilbrunn im
vollbesetzten Omnibus die „Nazis“ und forderte Soldaten dazu auf, nicht mehr in
den Krieg zu ziehen. Danach irrte sie in Deutschland umher, ehe sie sich im
Oktober 1944 freiwillig den Behörden stellte.
Dass Christl-Marie nicht wegen Wehrkraftzersetzung
hingerichtet wurde, verdankte sie den Amerikanern, die am 1. Mai 1945 mit
Panzern in den Gefängnishof von München-Stadelheim rollten. Christl-Marie hat
sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder für andere Menschen
eingesetzt. Zum Beispiel für deutsche Kriegsgefangene oder für Erdbebenopfer in
Marokko.
Am 9. März 1976 starb Christl-Marie Schultes im Alter von 71
Jahren verarmt und vergessen in München. Ihr Leben böte reichlich Stoff für
Romane oder Filme. Bisher ist aber noch nicht einmal eine Straße oder ein Weg
zu Ehren der ersten bayerischen Fliegerin benannt worden.
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*
Literatur über Christl-Marie Schultes
Ernst Probst / Josef Eimannsberger: Drei Königinnen der
Lüfte aus Bayern, München 2010
Ernst Probst: Christl-Marie Schultes. Die erste Fliegerin in
Bayern, München 2010>br>
Ernst Probst: Königinnen der Lüfte von A bis Z, München 2010
Ernst Probst: Königinnen der Lüfte in Europa, München 2010
Ernst Probst: Königinnen der Lüfte in Deutschland, München
2010