Montag, 7. Januar 2013

Regensburg: Vor 350 Jahren die Wiege des ersten deutschen Parlaments

Regensburg (obx) - Den Immerwährenden Reichstag in Regensburg sehen viele Historiker heute als Deutschlands erstes echtes Parlament. Zwischen 1663 und 1806 tagten in der bayerischen Donaustadt die Ständevertreter des Heiligen Römischen Reichs und entschieden im Auftrag von Kaiser und Herzögen über wichtige politische Weichenstellungen. In diesem Jahr wird der 350. Jahrestag der Entstehung des ersten deutschen Parlaments in der Donaustadt angemessen gefeiert.

Bis zur Einberufung des Immerwährenden Reichstags hatten sich der Kaiser und die Fürsten im Mittelalter noch in wechselnden Städten getroffen. Als man am 20. Januar 1663 in der ostbayerischen Donaustadt zusammenkam, um über die Bedrohung durch die Türken und offene Fragen aus dem Dreißigjährigen Krieg zu sprechen, zeigte sich aber, dass der vorgegebene Zeitrahmen für die Sitzungen nicht ausreichte. Der Reichstag wurde zur dauerhaften Einrichtung - für knapp 150 Jahre, von 1663 bis 1806.

Die Stadt Regensburg erinnert in diesem Jahr mit einer Vielzahl kultureller Veranstaltungen an die Zeit, in der die internationale Diplomatie und höfisch-barockes Leben in Regensburg einzogen und die Stadt zur echten Reichshauptstadt aufblühte. Die Stadt am nördlichsten Punkt der Donau kann sich deshalb heute auch als ein Wegbereiter des modernen Europa sehen. Denn in einer Zeit, in der in fast ganz Europa Monarchen herrschten, bot der Reichstag eine Plattform für politische Meinungsbildung, die ihrer Zeit damals weit voraus war - unter Einbindung von Gesandten aus dem gesamten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation sowie 70 Gesandten umliegender europäischer Länder.

Die letzte Tagung des Immerwährenden Reichstags fand im März 1803 statt - mit der Annahme des Reichsdeputationshauptschlusses, der die Neuordnung des Reiches anordnete und der schließlich 1806 in der Auflösung des Reiches erfolgte. All dies waren Folgen der Niederlage Österreichs und Bayerns im Krieg gegen Frankreich.

Danach zog der politische Zug der Zeit an der einstigen Reichshauptstadt Regensburg vorbei. Eine Chance, Mitte des 19. Jahrhunderts wieder zur Hauptstadt Deutschlands zu werden, wurde vertan: 1848 suchte die später gegründete Nationalversammlung einen neuen Sitz für die Zentralregierung. Regensburg schon im grauen Altertum Residenz deutscher Kaiser und Könige, später Reichsstadt, in der zu verschiedenen Zeiten Reichstage stattfanden, dann, nach dem Dreißigjährigen Kriege, Sitz des permanenten Reichstags war wieder im Gespräch, neben Frankfurt und anderen Städten.

Weil Bayern sich gegen die zentralistischen Tendenzen der provisorischen zentralen Reichsgewalt wehrte und Österreich sich zunehmend aus der deutschen Einigungsbewegung zurückzog, lag das einst zentral positionierte Regensburg plötzlich auch geografisch am Rand. Das hat sich erst jetzt im Zuge der europäischen Einigung geändert, die Regensburg wieder an die wichtige Schnittstelle zwischen den west- und osteuropäischen EU-Staaten rückte.

Eine Erfahrung aus dem früheren Regensburger Reichstag hat in den vergangenen Jahrhunderten alle Stürme der Geschichte überdauert und wird es wohl auch in Zukunft tun: Die Fähigkeit, "etwas auf die lange Bank zu schieben", um nicht entscheiden zu müssen, beherrschten bereits die Gesandten im Reichstag. Dort soll die Redewendung entstanden sein. Unter den langen Bänken im heute noch zu besichtigenden alten Reichssaal gab es Truhen, bei denen mitgebrachte Akten unbearbeitet oft auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Parallelen zur Jetztzeit sind kaum zu übersehen.