Heidelberg. Auf der Suche nach stellaren Gezeitenströmen um nahe Spiralgalaxien sind der Wissenschaftler David Martínez-Delgado und der Amateurastrofotograf R. Jay GaBany gemeinsam auf der Pirsch. So verbinden sie beste Beobachtungstechnik mit aktuellen Computermodellen.
Aus: Sterne und Weltraum, März 2013
Gezeiten – unter diesem Begriff verstehen wir Ebbe und Flut auf der Erde. Dieses Auf und Ab des Meeres kommt durch das Zusammenspiel zwischen Schwerkraft und Fliehkraft und der Bewegung des sich im Gravitationsfeld der Sonne umkreisenden Systems Erde-Mond zu Stande.
Doch auch in den Tiefen des Weltalls wirken solche Gezeitenkräfte, zum Beispiel dann, wenn zwei Galaxien aufeinandertreffen und miteinander verschmelzen. Das Gravitationspotenzial der einen Galaxie wirft die Sterne der anderen aus ihrer gewohnten Bahn, und so können bisweilen recht bizarre Strukturen entstehen. Daher ziehen etwa manche Spiralgalaxien wie die Milchstraße blasse Schleier von Sternenströmen hinter sich her, nachdem sie sich eine kleinere Galaxie einverleibt haben. Einige von ihnen sind gar von einem Ring ausgedünnter Materie als Zeugnis einer früheren Galaxienvereinigung umgeben. Richtig interpretiert, können Astronomen aus diesen Gezeitenströmen also viel über die Geschichte der Galaxienentwicklung lernen.
Mit der vergleichbar hellen Muttergalaxie im Vordergrund sind diese leuchtschwachen Gezeitenströme jedoch auch oder sogar gerade mit den modernen Profiteleskopen nur extrem schwer abzulichten. Wie dies dennoch gelingt, und warum ausgerechnet ein Amateur der Wissenschaft hierbei auf die Sprünge hilft, darüber hat sich die Redaktion von „Sterne und Weltraum“ mit dem kalifornischen Astrofotografen R. Jay GaBany und dem Wissenschaftler David Martínez-Delgado vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie für die aktuelle März-Ausgabe unterhalten.
Im Gespräch verraten die beiden Astronomen, wie es zu ihrer außergewöhnlichen Zusammenarbeit kam und wie sich ausgefeilte Expertise sowie eine moderne technische Ausstattung von Amateurastrofotografen und Computersimulationen aus der aktuellen Forschung auf fruchtbare Weise ergänzen. Sie berichten aber auch darüber, welche Schwierigkeiten es mit sich bringen kann, wenn die Fachwelt plötzlich einen „Amateur“ an der Seite eines Kollegen weiß.
Die Amerikanische Astronomische Gesellschaft verlieh R. Jay GaBany 2011 den Chambliss Amateur Achievement Award; dieser Preis wird an Amateurastronomen vergeben, die in besonderem Maße zur wissenschaftlichen Forschung beitragen. Das Nachrichtenmagazin Time wählte ihn 2012 zu einer der 25 einflussreichsten Personen in den Weltraumwissenschaften.