Dienstag, 26. Februar 2013

Warum Allergien entstanden sind

Aus: Spektrum der Wissenschaft, März 2013

Heidelberg. Nach einer neueren Ansicht entstehen Allergien nicht allein deswegen, weil bestimmte Zweige des Immunsystems in jungen Jahren zu wenig beansprucht werden, wie eine gängige Auffassung annimmt. Vielmehr beruht das mitunter gefährlich starke Immungeschehen auf durchaus wünschenswerten Maßnahmen, Vergiftungsgefahren spontan mit aller Kraft abzuwehren – und ihnen zukünftig aus dem Weg zu gehen.

Denn beispielsweise bei Tierbissen und Umweltgiften oder selbst manchen Parasiten kann es auf Minuten ankommen. Es gilt, den Schaden so schnell wie möglich zu begrenzen, etwa durch Husten, Erbrechen, Kratzen der Haut – oder auch schwere Kreislaufreaktionen, weil sich ein Gift dann nicht so leicht im Körper verteilen kann.

Zum Hintergrund: In der Märzausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" erörtern drei Forscher der Yale-University in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut), wieso nach ihrer Überzeugung Allergien in Vielem wichtigen – und sinnvollen – Abwehrreaktionen des Körpers gegen gefährliche Fremdstoffe ähneln.

An einer Allergie erstaunt vor allem oft die Heftigkeit. Um Würmer oder Krankheitserreger effektiv zu bekämpfen, darf sich das Immunsystem eigentlich mehr Zeit lassen. Aber ein Gift oder Reizstoff muss so schnell wie möglich wieder entfernt werden, zur Not mit aller Kraft, selbst wenn der Bedrohte dabei schwer leidet. Zu den üblichen Reaktionen gehört, dass sich die Haut verdickt und weniger durchlässig wird, oder dass in Lunge und Darm viel Schleim gebildet wird. Außerdem kommen in den Geweben Entgiftungsprozesse in Gang.

Im Zentrum des immunologischen Geschehens bei einer Allergie wie bei einem Giftkontakt steht, dass der Organismus die fremde Substanz erst einmal erkennen muss. Offenbar kommen in beiden Fällen die gleichen Immunmechanismen in Gang. Entscheidend hierfür scheint zu sein, dass der Körper sofort Gewebsschäden bemerkt. Auch bei Verletzungen und chirurgischen Eingriffen tritt sogleich eine ähnliche Immunantwort auf wie bei einer Allergie.

Zu der neuen Erklärung für allergische Reaktionen passt gut, dass manchen Menschen schon bei einem bestimmten Duft übel wird oder sie niesen müssen, wenn sie nur das Bild von einer Pollenpflanze sehen. Anscheinend lassen sich solche Reaktionen sehr leicht und sehr beständig konditionieren. Beim Leben in der Natur würde hiermit erreicht, dass Betroffene gefährliche Orte unverzüglich wieder verlassen und zukünftig möglichst ganz meiden. Allergiereaktionen sind hilfreich, um Gefahren zu vermeiden.